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Stadtkirchen im Bereich der Märkischen Eiszeitstraße

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Reformation und Renaissance

Die Reformation als Bewegung zur Beseitigung von kirchlichen Missständen und zur Wiederherstellung einer dem Evangelium gemäßen Kirche war auf dem Territorium der Märkischen Eiszeitstrasse keineswegs eine einmalige Aktion und schon gar nicht mit Bilderstürmerei verbunden - der Respekt vor der künstlerischen Qualität mittelalterlicher Kunstwerke hinderte sie wohl daran. Besonders das Stadtbürgertum erwies sich als ein starker Verfechter der neuen Lehren Luthers. Es wird angenommen, dass Philip Melanchton wesentlichen Anteil in dieser Gegend an der Reformierung der Religion hatte. Er kam 1518 an die Universität nach Wittenberg. In seiner berühmten Antrittsrede proklamierte er das Lehrprogramm des Humanismus. Von ihm stammen die wichtigsten theoretischen Schriften des Luthertums. Über sein Wirken in den hiesigen Landen gibt es jedoch keine historischen Belege.Zuverlässige Quellen existieren hingegen über den brandenburgischen Reformator Nikolaus Leuthinger d. Ä. (1544 - 1581). Er wirkte als Pastor in Altlandsberg - sein Grabmal von 1581 in der Stadtkirche erinnert an ihn.

Joachim II. Kurfürst von Brandenburg ergriff Partei für die Reformation Martin Luthers, verhielt sich aber sehr zögerlich, obwohl die überwiegende Mehrheit der Städte bereits dem lutherischen Lager angehörte.1536 beauftragte er den Landvogt der Uckermark, Hans von Arnim, mit der allgemeinen Inventarisierung der Kirchenschätze. 1538 schenkte er (als Geste des guten Willens?) das Kirchenpatronat für die Maria- Magdalenen-Kirche dem Rat der Stadt Eberswalde. Erst 1539 erfolgte der offizielle Übertritt des Landesherrn zum Protestantismus. Der regierende Kurfürst wurde zugleich der oberste Kirchenherr der neuen evangelischen Landeskirche. Ein Generalsuperintendent wurde sein Bevollmächtigter. Nach und nach kamen alle drei Bistümer in die Hand des Landesherrn. Zehn uckermärkische Klöster wurden säkularisiert und gingen in den Besitz des Kurfürsten über, der sie über kurfürstliche Ämter verwalten ließ, so vom Amt Chorin oder Gramzow. Andere klösterliche Grundherrschaften wurden von ihm an den Adel veräußert. So erhielt Hans von Arnim auf Boitzenburg 1539 alle säkularisierten Güter des Zisterzienser-Nonnenklosters "Marienpforte".

Während in der Region der Schlossbau des Hochadels erblühte und Renaissanceschlösser wie Boitzenburg, Schwedt, Wolfsburg, Stolpe, Lichterfelde und Trampe entstanden, stagnierte der Neu- und Umbau der Stadtkirchen. Der Adel war nicht daran interessiert, die ohnehin privilegierten Städte zu stärken. Ausnahmen bildeten die adelsabhängigen Städte wie Altlandsberg oder Bad Freienwalde. Die Patronatsherren bauten diese Kirchen komfortabel aus, um sie als Grablege und Gedenkstätten ihrer Geschlechter zu nutzen - das Erbbegräbnis gehörte zum Patronatsrecht. Die von Krummensee in Altlandsberg leisteten sich einen teuren Umbau der Stadtkirche - das gotische Gewölbe wurde eingezogen und 1535/36 wurde der Turm aufgestockt. Ähnliches erfolgte in Bad Freienwalde für die Familie von Uchtenhagen.


Renaissancealtar von
St. Marien in Angermünde
Foto: W. Ebert

Von einer protestantischen Kirchenbaukunst konnte jedoch im 16. und 17. Jahrhundert nicht die Rede sein - neue Bauformen werden an den Stadtkirchen nicht sichtbar. Die Gemeinsamkeit der Gemeinde im Räumlichen und die Konzentration auf den Ort der Verkündung führte zur Zentralisierung in der Innenraumgestaltung. Dafür waren die mittelalterlichen Backsteinhallenkirchen bestens geeignet - Neubauten waren also nicht erforderlich. Nur die Inneneinrichtung wurde für den protestantischen Gottesdienst nutzbar gemacht. Die wichtigsten Kennzeichen waren die Inbesitznahme des Altarraumes durch die Gemeinde, die Installierung eines festen Gemeindegestühls sowie der Einbau von Kanzeln und Emporen. Lediglich die vielen Nebenaltäre sind beseitigt worden - für sie gab es in protestantischen Stadtkirchen keine Verwendung.


Altar der
St. Maria-Magdalena-Kirche
Foto: G.-U. Michaelis

Die Städte waren bestrebt, ihr Gemein- schaftsbewusstsein in der Kirchenausstattung auszudrücken. Dabei sparten sie nicht! Den Bürgern war es wichtig, dass i h r e Kirche geschmückt war. Es war wohl weniger die neue Religion als vielmehr der Ausdruck ihres Selbstbewusstseins, der sie bewegte. Der imposante Renaissancealtar von St. Marien in Angermünde, der heute in Teilen in der Marienkapelle der Kirche steht und in anderen Teilen im Märkischen Museum Berlin aufbewahrt wird, ist dafür ein bewundernswertes Beispiel. Die etwa fünf Meter breite und etwa sieben Meter hohe mehrgeschossige Altarwand mit den aus Lindenholz geschnitzten Reliefs wurde 1601 von der Bürgerschaft der Stadt gestiftet.

Etwa ein halbes Jahrhundert nach der Reformation wurde erkannt, dass die neue Lehre Luthers nicht nur im Wort zu verbreiten, sondern bildhaft vor die Augen zu stellen sei. Zwischen 1590 - 1621/23 kam es zu einer Welle der Neugestaltung auch in anderen Stadtkirchen. Die Renaissance hielt Einzug. Der Bildschmuck konzentrierte sich in lutherischen Kirchen am Altar, an der Kanzel und an der Taufe. Einige der mittelalterlichen Schnitzaltäre mit beweglichen Flügeln wurden ausgewechselt und durch freistehende mehrgeschossige Renaissanceretabeln mit protestantischem Bildprogramm ersetzt.

Charakteristisch für die Lehrhaftigkeit ist der 1606 datierte Altar in der Maria-Magdalena-Kirche Eberswalde. Das schöne Retabel lässt eine Beziehung zum zweiten Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses erkennen. Die ausgehende Renaissancezeit, aber auch barocke Ausschmückungen haben das aus Holz geschnitzte Werk geprägt. Der _self der Bilder wird noch mit Texten verdeutlicht.


Emporen-Malerei Marienkirche Bernau
Foto nach U. Hasse

1623 entsteht in Bad Freienwalde ein wertvoller Hochaltar der Spätrenaissance mit vier Etagen, gestaltet von dem Wriezener Schreiner Engelhammer und dem Maler Ribbecke, und aus der gleichen Werkstatt eine Kanzel.
Sehenswert ist auch die Renaissancekanzel der Stadtkirche in Altlandsberg, entstanden um 1600 mit fünf geschnitzten Figuren, die Evangelisten darstellend.1606 erhielt die Stadtkirche Bernau eine neue Taufe. Am Kanzelkorb von 1609 haben spätgotische Schnitzfiguren Wiederverwendung gefunden.

Typisch für diese Zeit ist ferner der beginnende Einbau von Emporen, auch "Chöre" genannt. Ihre horizontale Wirkung hat zur Bildung des zentralisierten Raumes beigetragen, wie sie vom Protestantismus angestrebt wurde. Aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg sind in Bernau die Chöre der Tuchmacher und Schuster erhalten und mit 75 Gemälden auf Leinwand reich geschmückt. Diese Renaissance-Malereien sind in ihrer Art einmalig in der Mark Brandenburg.

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© Märkische Eiszeitstraße, M. Klebert, 2006