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Die Teerschwelerei

 

"Schmiergeld zahlen" - aus der Geschichte eines ausgestorbenen Gewerkes

Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts waren Teerofenerzeugnisse, wie z. B. Schiffsteer, Wagenschmiere und aus Teer bestehende Holzschutzmittel wichtige Handelsartikel. Den Handel mit diesen Produkten beherrschte seit dem Mittelalter Nordeuropa. Mit Teer mussten die hölzernen Achsen der Fuhrwerke noch bis etwa 1800 geschmiert werden. Sogenannte Teerbutten, das waren Eimer mit einem Gemisch von Pech (Teer) und Leinöl zum schmieren, wurden an den Hinterachsen der Wagen aufgehangen. Reisende hatten für den Transport ein sogenanntes Schmiergeld zu entrichten. Aus dieser Zeit stammt auch das Sprichwort "Wer gut schmiert, der gut fährt".
Schuster- und Sattlerpech wurden durch Separieren des schweren Teers, der sogen. Teergalle, vom eigentlichen Holzteer getrennt und weiter gekocht.
Auch in unserer Gegend wurden schon frühzeitig Teeröfen betrieben. Die Überreste eines Teerofens, etwa aus der Zeit um 1300, wurde 1956 in Hermsdorf (nördlicher Stadtrand von Berlin) entdeckt. Aus dem Jahre 1607 liegen schriftliche Unterlagen zu einem Teerofen in Heiligensee (ebenfalls nördlicher Stadtrand von Berlin) vor.
F. W. Pfeil (1793-1859), der Begründer der Forstakademie in Eberswalde, schrieb 1831: "Es gab eine Zeit, wo in den großen Nadelforsten der Kurmark Brandenburg die Teerofenpacht beinah die Hauptnutzung bildete ..." (zit. aus Scamoni, 1956). Im 18. Jh. versuchten die deutschen Staaten, sich von Teerimporten durch Förderung der Teerschwelerei unabhängig zu machen. Es entstanden zahlreiche Schwelereien. Allein im nördlichen Havelland, im Eberswalder Tal und im nördlichen Barnim rechnet Scamoni mit 20 Teeröfen. Die Anzahl und Verbreitung der Teeröfen diente u. a. später zur Feststellung der früheren Verbreitung der Kiefer.
Die Rechte, einen Teerofen zu betreiben, wurden verpachtet. Die Förster legten vertraglich nicht nur die Pacht fest, sondern auch die Anzahl der zu entnehmenden Stubben und die Anzahl der jährlich gestatteten Brände. Die Ofenpacht betrug z. B. im Amt Oranienburg im Jahr 1771 je Brand drei Taler und zwölf Silbergroschen.
Erst die Einführung des Steinkohleteers und die Einführung der eisernen Achsen zu Anfang des 19. Jh. führte zum Verschwinden der Teeröfen.
Ortsnamen und Forstbezeichnungen, wie Theerofen und Theerofenberge bei Chorin oder Theerofenbrücke im Nationalpark Unteres Odertal, weisen noch heute auf dieses ehemalige Gewerbe hin.

Aufbau und Funktion der Teeröfen

Zunächst begann die Gewinnung von Teer recht primitiv. Auf dem lehmverfestigten Boden von Holzkohlemeilern floss der Teer durch eine Abflussrinne nach außen. Danach benutzte man aus Ziegeln gemauerte Trichter, aus deren Mitte der Teer in eine Röhre abfloss. Das dafür benötigte Kienholz musste klein gespalten und in dem Trichter aufgestapelt werden. Der Holzstapel wurde mit Erde abgedeckt und der Teer langsam ausgeschmolzen. Dieser Teer war sehr dick und zäh und nur für den Schiffbau gut geeignet.
Größere, zunächst einwandige, später auch doppelwandige, bienenkorbähnliche, gemauerte Öfen wurden im 17., vor allem aber im 18. Jahrhundert errichtet. Bei letzteren befand sich der Brandraum zwischen den beiden Wänden, also zwischen dem Stauraum und der äußeren Kammerwand. Hier wurde Holz verbrannt und die notwendige Hitze erzeugt, um aus dem im Inneren aufgestapelten Kienholz durch Verschwelung (Trockendestillation) den Teer zu gewinnen. Die Breite des Brandraumes betrug bei einem Durchmesser des gesamten Kegels von 4 m etwa 1,5 m.


Teerofen (Kalender Niederbarnim 1933)

Aufriss eines Teerofens

 

Das Feuer im äußeren Brandraum musste etwa 4 - 5 Tage unterhalten werden. Der Teerbrenner war während dieser Zeit ständig anwesend, d. h. er musste auf dem Kien sein! Um die Hitze während des Brandes zu stauen, wurden die Zuglöcher im oberen Teil des Ofens zunächst zugemauert und der Ofen mit Erde abgedeckt. Auch musste Brennholz nachgelegt werden. Dann wurden die Zuglöcher geöffnet, damit durch zu große Hitze die Öfen nicht platzten. Der innere Mantel erhitzte sich bis zur Weißglut und die Kienhölzer im Schwelraum begannen zu schwitzen.

Teerofenmodell im Museum Berlin-Reinickendorf
Das Fassungsvermögen der Öfen schwankte zwischen 16 und 67 Kubikmeter Kienholz. Jährlich wurden je Ofen acht bis fünfzehn Brände erreicht, wobei die höhere Anzahl der Brände mit den kleineren Öfen gefahren wurde. Am 1. Brenntag wurde das im Holz befindliche Wasser abdestilliert. Es bildete sich Presswasser, ein schmutziges Wasser mit öliger Oberfläche. Danach floss in 4 - 5 Tagen der Teer aus dem Trog. Dieser Vorgang wird wie folgt beschrieben (Zit.: Museum Berlin-Reinickendorf): "Mit dem Fortschreiten des Brandes tropfte erst flüssiges gelbes Harz, danach rotes Harz und schließlich hellbrauner Teer aus dem Holz. Es floss vom Boden des Schwelraumes durch eine schmale Rinne in den gemauerten Grundtrog. Danach begann der Teerbrenner mit der Weiterverarbeitung der Schwelprodukte. Das gelbe Harz wurde durch Destillation zu Kienöl verarbeitet, das zur Herstellung von Farben, zum Einreiben des Viehs und als Brennmittel für die Pechlampen (Tranfunzeln) diente. Als Rückstand blieb das gelbe Pech übrig. Es wurde verkocht bis es schwarze Färbung (Pech) annahm." Drei Kubikmeter Kienholz ergaben etwa 115 Liter Teer. Zum Teerschwelen wurden in der Regel das kienhaltige Kiefernstockholz (auch Stubben genannt) verwendet. Der Teerschweler musste nicht nur die Stubben (Wurzelstöcke) roden, sondern auch das Holz von der Erde reinigen und die kienführenden Stücke vom harzarmen Holz trennen. Das Verhältnis war etwa 1/4 Kienholz zu 3/4 Brennholz. Das Brennholz diente dann zur Erhitzung des Ofens.

 

Literatur:
• Scamoni, A, (1956): Die Teerschwelerei, eine verschwundene Nebennutzung des Waldes.
   Natur und Heimat H. 2, S. 50 - 53.
• Hasel, K. und E. Schwartz (2002): Forstgeschichte. Verlag Dr. Kessel, Rehmagen,
   2. aktua-lisierte Auflage.
• Kalender für den Kreis Niederbarnim 1933, Verlag Wilhelm Möller, Oranienburg.
• Museum Berlin-Reinickendorf: Modell eines Teerofens.

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© Märkische Eiszeitstraße, H. Domnick, 2004