Niederfinow

Geschichte | Ortsbeschreibung | Schleusentreppe und Schiffshebewerk

Geschichte


Grenzstein Angermünde-Oberbarnim
Foto: W. Ebert

Im 13. Jahrhundert führte eine Handelsstraße, von Pommern kommend, über Schwedt, Stolpe, Oderberg, am Plagesee vorbei südwärts zum Finowtal. Das Flüsschen Finow war hier bis zur Bezirksbildung 1952 die Grenze zwischen der Uckermark (Kreis Angermünde) und dem Oberbarnim. An einer schmalen Stelle bei Niederfinow überquerte die Straße den Fluss und führte von hier aus über Falkenberg und Freienwalde nach Frankfurt. 1258 wurde dieser Abschnitt der Straße als "via Vinowe" urkundlich erwähnt. Gesichert wurde der Übergang durch die Burg in Hohenfinow. Zur Burg gehörte eine Mühle an der unteren Finow, aus der die Mönche von Mariensee 1267 Roggenmehlabgaben bezogen.
Es ist zu vermuten, dass bereits damals eine Siedlung am Flussübergang vorhanden war. Spätestens für 1304 lassen bebaute Äcker auf das Vorhandensein einer Siedlung schließen, die 1308 als Stadt (civitas) Vinowe genannt wird. Die frühe Stadtentwicklung wurde durch eine zur Burgherrschaft gehörige Zollstelle mit Stapelrecht sowie durch das damit verbundene Entladen der bis hierher gelangten Oderkähne auf Fuhrwerke in Richtung Berlin gefördert. Die Blüte der städtisch-bürgerlichen Siedlung währte aber nur kurze Zeit, denn bereits 1317 verlegte Markgraf Waldemar die Straßenführung und den Finowübergang nach Eberswalde. Freilich hob sich auch dann noch Finow als Marktflecken (opidum) über die meisten Dörfer der Umgebung hinaus. Es gab auch Versuche, den alten Status wiederzugewinnen. So erlaubte z.B. Markgraf Jobst 1409 den Berlinern und Cöllnern, ihre Waren in Freienwalde, (Nieder-) Finow oder wo sie sollten, auszuschiffen.


Ortskern von Niederfinow / W. Ebert

Die Herren der Stadt waren ursprünglich die jeweiligen Besitzer auf Hohenfinow, danach die von Greiffenberg. Reinhold v. Greiffenberg betonte 1421 beim Verkauf des Städtchens an das Kloster Chorin, dass es bereits seine Eltern und Großeltern besessen hätten. Seither war das Kloster, welches bereits seit 1267 dort Einzelbesitz gehabt hat, Eigentümer des Städtchens. Als nach dem Brand von 1542 die Privilegien der Stadt erneut verbrieft wurden, war die Dienstabhängigkeit vom Kloster klar erkennbar. Spätestens seit 1542, vermutlich aber schon früher, führte eine Brücke über die Finow. Als mit der Säkularisation der Kurfürst das Eigentum des Klosters und damit auch das Städtchen Niederfinow übernahm, verschlechterte sich nicht nur die wirtschaftliche Situation, sondern auch die rechtliche Stellung immer mehr. Die weitere Entwicklung war ziemlich dürftig, zumal der 30jährige Krieg noch sein Übriges tat. So galt der Ort nach dem Kriege als "Churfürstliches Amtsdorf nahe Chorin".


Stecherschleuse 2005 / W. Ebert

1729 brannte der gesamte Ort ab, entstand aber im folgenden Jahrzehnt wieder neu. Die ältesten erhaltenen Bauten stammen aus dieser Zeit. Auch die erhöht über dem Ort stehende Kirche bekam damals ihre heutige Gestalt.
Mit dem Ausbau des zweiten Finowkanals entstand 1745 auch die nach ihrem Erbauer benannte Stecherschleuse. Hier entwickelte sich auch eine Kolonie. Eine weitere, die Niederfinower oder Hoppesche Schleuse, wurde 1748 unmittelbar am Ort erbaut. Sie bestand bis Mitte des 19. Jahrhunderts.
Die Trockenlegung des Niederoderbruchs verbesserte zwar die Qualität der Bruchwiesen, verringerte aber andererseits die Erträge der Fischerei so erheblich, dass sich 1777 die "Fischereigemeinde" als berufsständige Rechtsinstitution auflöste. Die Bewohner lebten nunmehr von der Viehzucht und einem wenig erträglichen Ackerbau.

Der 1865 auf Hohenfinower Gemarkung angelegte Bahnhof Struwenberg ermöglichte Niederfinower Bürgern, in Eberswalde oder Bad Freienwalde zu arbeiten.
Auf der Talsandterrasse des Urstromtales nördlich des Dorfes entstand Anfang des 20. Jahrhunderts ein 350 ha großes Kies- und Sandabbaugebiet. Man gewann hier die Baustoffe für den Oder-Havel-Kanal und das Schiffshebewerk. Der Abbau wurde 1972 endgültig eingestellt. Das reich gegliederte, nur teilweise rekultivierte Gelände der ehemaligen Gruben wurde mit Kiefer und Pappel aufgeforstet.
Die 1955 gebildete LPG schloss sich 1977 der in Hohenfinow an. Nach deren Auflösung bewirtschaften heute zwei Familienbetriebe je 100 ha vorwiegend Grünland im Oderbruch.
Am Schiffshebewerk etablierten sich Gaststätten, Pensionen und ein Hotel.

 


Ortsbeschreibung


Dorfkirche Niederfinow / W. Ebert

Das einstige Dorf Niederfinow zog sich entlang der alten Handelsstraße mit dem Zentrum am Finowübergang. Nach dem Großbrand 1729 konzentrierte sich der Dorfkern auf den südlichen Hang eines Endmoränenvorsprungs oberhalb der Finowbrücke. Hier steht auch die Dorfkirche, ein regelmäßiger Feldsteinquaderbau aus dem frühen 13. Jahrhundert. Sie gehörte zum Typ der Chorquadratkirchen ohne Turm. Nach dem Brand, der auch die Kirche weitgehend vernichtete, erhielt sie 1729-1732 den Fachwerkturm über dem Westgiebel, die hufeisenförmige Empore und den hölzernen Kanzelaltar. Letzterer besitzt links und rechts je einen Zugang und füllt die ganze Ostwand aus. Der polygone Kanzelkorb wird von je einer Säule flankiert.
Etwa 2 km westlich des Dorfkerns entstand die von Johann Gottfried Stecher 1745 erbaute Finowkanalschleuse, die seither seinen Namen trägt. 1858 erfolgte die Erneuerung des südlichen Schleusenbeckens, welches 1958 durch ein Wehr ersetzt wurde.


Stecherschleuse - Anlage zur
Energiegewinnung / W. Ebert

Mit dem steigenden Verkehrsaufkommen folgte 1877 der Neubau des nördlichen Schleusenbeckens. Auf Grund seines maroden Zustandes musste die Schleuse 1992 stillgelegt werden. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten 1998 war der Finowkanal wieder durchgängig benutzbar. Die alte Technik wurde weitgehend erhalten, auch wenn sie nicht mehr voll in Betrieb ist. Seit 2002 wird erstmalig die Wasserkraft zur Energiegewinnung an dieser Schleuse genutzt. Auch eine Fischtreppe wurde hier eingebaut.
Die am Ende des 2. Weltkrieges zerstörte Hubbrücke über die Finow wurde neu erbaut.

 





Schleusentreppe und Schiffshebewerk Niederfinow


Schleusenstreppe Niederfinow
Historische Aufnahme

Anfang 1914, also kurz vor Beginn des 1. Weltkrieges, wurde der Hohenzollern-Kanal, welcher von Lehnitz bis Hohensaaten die Havel mit der Oder verband, in Betrieb genommen. Noch heute ist dieser Kanal, der jetzt Oder-Havel-Kanal heißt, als Teil des Großschifffahrtsweges Berlin-Stettin, eine wichtige Handelsverbindung. Der geländebedingte Abstieg des Kanals vom Niveau des Urstromtals (Scheitelhaltung) zum Niederbruch wurde ursprünglich mit Hilfe einer Schleusentreppe ermöglicht. Sie bestand aus 4 Gefällstufen mit je 9 m Höhe. Die ganze Schleusentreppe war 1,4 km lang. Der Abstand der einzelnen Schleusen betrug 350 m, wovon rd. 90 m auf das eigentliche Bauwerk fielen. Der Rest, also 260 m, kamen auf die Zwischenhaltung. Dies waren Ausweichstellen.


Sparbecken der 2. Schleuse / W. Ebert

Die Ausweichstellen ermöglichten es, dass immer 4 Fahrzeuge gleichzeitig die Treppe benutzten, immer zwei aufwärts und zwei abwärts fahrende. Da mit jeder Schleusung enorme Wasserverluste verbunden waren, wurden die Schleusen mit je 3 Sparbecken versehen, welche beim Entleeren der Schleuse ⅔ der Wassermenge aufnahmen und bei Füllen der Schleuse diese wieder zurückführten. Damit verbrauchte deren Füllen nur noch 2.700 statt 6.800 m3 Wasser.


Schleusentreppe, obere
Schleusenkammer / W. Ebert

Die Durchfahrt durch die gesamte Schleusentreppe dauerte etwa 2 Stunden. Die Nutzung des Kanals und damit die der Schleusen nahm ständig zu. Waren es 1923 noch 600.000 Gütertonnen, die die Schleusen passierten, so stiegen diese bis 1928 auf 2,34 Mio. an. Es reichte die Leistungsfähigkeit der Anlage selbst bei 24-stündigem Betrieb nicht mehr aus und es kam zu größeren Wartezeiten. Hinzu kam, dass der ungünstige Untergrund der Treppe immer wieder zu Sicherungsmaßnahmen führte. So entschied man sich für den Bau eines zweiten Abstieges und zwar für ein Hebewerk mit Ausgleich des Troggewichtes durch Gegengewichte an Drahtseilen.


Schiffshebewerk Niederfinow
Luftbild G. Lutze

 

1926 wurde der Entwurf bestätigt und 1934 wurde das Schiffshebewerk Niederfinow in Betrieb genommen. Das Hebewerk umfasst drei große Hauptteile: das Hebewerkgerüst, den Trog und eine Kanalbrücke. Das ganz aus Stahl bestehende Hebewerkgerüst ist 60 m hoch, 94 m lang und 27 m breit. Die Gründungspfeiler reichen bis 20 m unter das Gelände.


Hebegerüst / W. Ebert

Eine 157 m lange und 34 m breite Kanalbrücke verbindet den Oberhafen mit dem Hebewerk.
Der Trog hat rd. 88 m Länge und 16 m Breite. Er ist 2,5 m tief. Das entspricht einer Wasserlast von 2.600 m3 = 2.600 t. Der Trog ist an 256 Seilen aufgehängt, 128 auf jeder Seite. Sie laufen über 128 Seilscheiben (Räder) von 3,5 m Durchmesser. Ein Drahtseil besteht aus 222 kreisrunden Einzeldrähten von 2,4 mm Durchmesser. Solch ein Seil kann 150 t tragen, ehe es reißt. Am Hebewerk ist es aber aus Sicherheitsgründen nur mit 22 t belastet. Die Gegengewichte sind Scheiben von 7 m Länge und � m Dicke, hergestellt aus Beton unter Zusatz von Eisenspänen.


Trog des Hebewerkes
mit Antriebsanlage Vergößern

Angetrieben wird der Trog durch 4 Elektromotoren von je 75 PS. Sie setzen an jeder Seite ein Zahnrad in langsame Drehung, das in eine Zahnstockleiter des Mittelgerüstes eingreift und daran den Trog nach oben oder unten bewegt.
Der Hub des Troges um 36 m dauert etwa 5 Minuten, die Gesamtschleusung etwa 20 Minuten.
Das Schiffshebewerk begann seine Tätigkeit im 16-Stundenbetrieb, läuft aber seit 1994 auf Dauerbetrieb (24 Stunden).
  In Zukunft rechnet man mit einem erhöhten Güteraufkommen Diese Güter werden auf bis zu 110 m langen und 11,4 m breiten Schiffen transportiert werden.  Das neue Schiffshebewerk soll einen Gütertransport von jährlich 4.400.000 Tonnen im Jahr gewährleisten. Für dieses Verkehrsaufkommen und den Einsatz solcher Schiffe ist der Ausbau des Oder-Havel-Kanals und ein weiteres Aufstiegsbauwerk notwendig.   Die Inbetriebnahme ist für 2014 geplant. Die Höhe des neuen Schiffshebewerkes wird 54,.55 m, die Länge 133,00 m , die Breite 46,40 m und die Trogtiefe 11,00 m betragen. das troggewicht wird nmit Wasser  9.800 t. betragen.  Im Gegensatz zum alten Schiffshebewerk werden statt bisher 4 jetzt 8 Antriebsmotore eingesetzt.

 

Bick in den Informationspavillon der Schiffshebewerke Foto: H. Domnick

Blick in den Informationspavillon der Schiffshebewerke Foto: H. Domnick

Die Baustelle des neuen zweiten Schiffshebewerkes in Niederfinow im September 2012 Foto: H. Domnick

Die Baustelle des neuen zweiten Schiffshebewerkes in Niederfinow im September 2012
Foto: H. Domnick

Literatur:
• Die Kunstdenkmäler des Kreises Angermünde. Vossische Buchhandlung, Berlin , 1929
• Landschaften in Deutschland - Werte der deutschen Heimat.
  Um Eberswalde, Chorin und den Werbellinsee. Böhlau Verlag, 2002
• Zablowski, P.:Das Schiffshebebwerk Niederfinow, Technik I, Berlin 1991

  © Märkische Eiszeitstraße, W. Ebert, 2005