Hohenfinow

 

Geschichte | Ortsbeschreibung | Karlswerk | Struwenberg

Geschichte

Der Name Hohenfinow lässt sich aus dem Flussnamen Finow ableiten, "oberhalb der Finow".
Die Gegend um Hohenfinow gehört zu einem spätslawischen Siedlungsgebiet, dessen Wohnplätze sich an den kurzen, wasserführenden Tälern befanden, die den Rand des Barnimplateaus zerschneiden. Hier, an der Nordspitze des ,Schlossberges' bei Amalienhof, ist durch einen etwa 3 m tiefen Graben ein kleines rechteckiges Plateau abgesetzt. Unter dessen Kante zieht sich eine Terrasse um den Berg, deren Rand wallartig erhöht ist. Da eindeutige archäologische Befunde bisher fehlen, steht nicht fest, ob es sich hierbei um einen slawischen Burgwall handelt, der später mit der urkundlich erwähnten Burg Hohenfinow überbaut wurde oder um einen deutsche Wachtturm. Ein Münzfund im Graben des Burgwalls aus der Zeit um 1220 (mecklenburgischer Stierkopfbrakteat) lässt darauf schließen, dass diese


Schlossberg bei Amalienhof / H. Domnick
Befestigung damals schon bestanden hat. Es handelt sich vermutlich um eine Burg eines Landesherren auf dem umstrittenen Barnim als Grenzposten und Zollstation sowie als Schutz des wichtigen Finow-Überganges. Ob sie ursprünglich die Wettiner oder die Askanier errichteten, ist nicht nachweisbar; ab 1245 dürfte sie aber endgültig in askanischer Hand gewesen sein. Erst ab 1337 besaßen nachweisbar verschiedene Adelsfamilien die Burg und die zugehörigen Güter als Lehen. So ist es auch möglich, dass sich die deutsche Burg an einem anderen Standort, z. B. dem späteren Gutshof in Hohenfinow, befunden hat, wofür die Bedeutung einer Grenzanlage, die gegenwärtige Geländesituation und Parallelen zu anderen Stadtentwicklungen sprechen. Mit der Besitznahme der Uckermark, der Verlagerung der Handelsstraße und des Rechts der Warenniederlage nach Eberswalde sank die Bedeutung der Burg und des sich entwickelnden Ortes. Er erreicht nicht das Stadium einer voll ausgebildeten Stadt. Das Burglehen umfasste außer den beiden Städtchen Hohenfinow und Niederfinow (1334: in oppidis tam superiori quam inferiori Vinowe) auch Besitz in den Dörfern Cöthen, Falkenberg und Lichterfelde. Spätestens zu Beginn des 15. Jahrhunderts war dieser Besitz zerfallen.
Die im benachbarten Tornow eingesessene Familie von Sparr erwarb 1408 das Städchen Hohenfinow und behielt es bis 1607. Das überschuldete Gut wechselte dann den Eigentümer mehrfach. 1668 gelangte es an den späteren General von Börstel, der mit dem Schlossbau in Hohenfinow begann. Er ließ einen barocken Park anlegen und ihn durch eine Lindenallee mit einem Winzerhaus im Weinberg am Liebenstein verbinden.

 


Lindenallee zum Liebenstein / W. Ebert

Zu seiner Zeit wurden die Dorfauen mit Walnussbäumen bepflanzt, der Tabak- und Obstbau eingeführt, die Viehzucht stark vermehrt und die Erträge aus dem Getreideverkauf erhöht. So stieg der Taxwert von Hohenfinow mit Tornow von 14.500 Talern im Jahre 1668 auf 169.725 Taler im Jahre 1721, als der Sohn des Generals als Beamter nach Berlin verzog. Der Käufer, Franziskus Matthäus von Vernezobre (1690-1748), hatte mit Bankgeschäften als Kassierer der Indischen Kompanie in Paris ein Vermögen von über einer halben Million Taler erworben und dieses in Gold nach Berlin verlagert. Vom König dafür in den Freiherrenstand erhoben, passte er sich den Gewohnheiten des märkischen Adels an, erwarb außer Hohenfinow-Tornow noch Sommerfelde, Güter in der Uckermark und in der


Gut Hohenfinow - alter Speicher
Foto: W. Ebert
preußischen Lausitz bei Cottbus und war rücksichtslos in der Ausbeutung seiner Untertanen. Auf Verlangen des Königs ließ er das spätere Prinz-Albrecht-Palais in der Berliner Wilhelmstraße erbauen. Sein noch in Paris geborener Sohn Matthäus (1721-1782), der die Güter im Barnim erbte und selbst bewirtschaftete, war Kaufmann. Obwohl der Ort Hohenfinow längst dörflichen Charakter angenommen hatte, nutzte er die alte Verfassung des Städtchens zur Errichtung gewerblicher Anlagen aus. So entstanden am Rande der Gemarkung die Eisen- und Drahtfabriken in Sophienhaus und Karlswerk, eine Feilenfabrik in Tornow und die Baumwoll- und Leinenmanufaktur in Amalienhof. Er begann mit der Krappverarbeitung in Karlswerk und erreichte im Interesse des Krappanbaus vom König die Erlaubnis, schon 1753 in Hohenfinow die Gutgrundstücke von den bäuerlichen zu separieren und damit aus der gemeinsamen Feldbewirtschaftung heraus zu lösen. Auch beteiligte er sich an der Oderbruchmelioration. 1766 erwarb er mit den benachbarten Gütern Kruge und Gersdorf einen 2 .000 Morgen umfassenden, Karutz benannten Wald. Dieser Prozess ist ein eindrucksvolles Beispiel für die frühe Verbindung von industriellen und gutsherrlichen Bestrebungen.

 


Schloss Hohenfinow um 1900,
historische Postkarte

Die seit 1855 auf Hohenfinow nachweisbare Familie von Bethmann-Hollweg gehörte zu den herausragenden Stützen der preußischen Monarchie. Felix (1824-1900), der aus der rheinischen Bourgeoisie stammte, kam mit den ostelbischen Verhältnissen gut zurecht und entwickelte den mit Tornow und Sommerfelde insgesamt 8.965 Morgen umfassenden Besitz zu einem wirtschaftlichen Großbetrieb. Zur traditionellen Getreideproduktion, die mit eigenen Landarbeitern und Saisonkräften aus dem Osten auf riesigen Schlägen betrieben wurde, gesellte sich eine Brennerei, eine Dampfschneidemühle und eine Ziegelei am Bahnhof Niederfinow. 1860 kam an der Südgrenze der Flur das Vorwerk Maxberg hinzu.

Sowohl Felix von Bethmann-Hollweg als auch sein Sohn Theobald schreiten als Landräte rücksichtslos gegen das Anwachsen der Sozialdemokratie ein, konnten aber deren wachsenden Einfluss nicht verhindern (1890 gab es die ersten 13 Stimmen für die Arbeiterpartei in Hohenfinow). Seit 1896 stieg Theobald die Stufenleiter der preußischen Verwaltungsbürokratie aufwärts und wurde 1909 Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident. Als solcher hatte er vielfach Regierungsgeschäfte von Hohenfinow aus geführt. Er verfolgte eine "Politik, die auf einen Ausgleich zwischen Junkern und Großbourgeoisie und eine Integration der Arbeiterbewegung in den imperialischen Staat gerichtet war". Ziel seiner Reformpolitik war die Spaltung der Arbeiterbewegung. 1917 musste er wegen Meinungsverschiedenheiten mit der Obersten Heeresleitung (Hindenburg/Ludendorff) zurücktreten und zog sich nach Hohenfinow zurück. 1945 wurde der Besitz enteignet.
 

Die Grabablage derer von Betmann Hollweg Foto: H. DomnikHe

Die Grabanlage derer von Bethmann- Hollweg Foto: H. Domnick

Kurrioses am Ortsrand von Hohnfinow: Prinz Wilhelm von Preußen schoß hier seinen ersten Rehbock. Foto: H.Domnick
Kurioses am Ortsrand von Hohenfinow:
Prinz Wilhelm von Preußen schoß
hier seinen ersten Rehbock. Foto: H.Domnick

Hohenfinow kann als typisches Beispiel dafür gelten, wie die Gutsherrschaft ursprüngliches Bauernland in Besitz nimmt. 1480 gehörten zum Rittersitz, damals als Schäferei genutzt, 4 von insgesamt 54 Hufen; zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges war der Herrschaftsanteil bereits auf 59 % angewachsen. Für die Ablösung der Dienste 1823 mussten die Bauern etwa die Hälfte ihres Besitzes abtreten, so dass das Verhältnis Gutsland zu Bauernland 1858 zugunsten der Gutsherren bei 2.880 Morgen Ackerland 83 % : 17 % und bei 831 Morgen Wiesenland 79 % : 21 % betrug.
Nach 1945 wurde der Gutsbesitz enteignet. Es entstand das Volkseigene Gut Hohenfinow (VEG), welches sich nach 1990 in eine Agrar- und Handelsgenossenschaft e. G. und in eine Agrargesellschaft mbH umwandelte.
 

Ortsbeschreibung

Die Siedlung mit dem rechteckig langgestreckten, von 4 Baumreihen bestandenen Anger wird von einer Bachgabelung umschlossen, die auf 3 Seiten natürlichen Schutz gewährt. Die offene Südseite sichert die höher gelegene Dorfkirche, ein stattlicher Feldsteinmauerbau aus der Mitte des 13. Jahrhunderts.


Dorfkirche Hohenfinow / W. Ebert

Er war ursprünglich eine dreischiffige Basilika mit Chor und halbrunder Apsis sowie einem querrechteckigen Westturm über Mittelschiffsbreite. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die stark beschädigte Kirche ohne Seitenschiffe (die geschlossenen spitzbogigen Arkaden sind gut erkennbar) und ohne die erst 1906-1910 rekonstruierte Apsis wiederhergestellt. Die Fenster in der Wand des ehemaligen Mittelschiffes (Obergaden-), die Chorfenster, das große, zweifach abgetreppte spitzbogige Westportal und die mit einem Rankenornament verzierte Priesterpforte waren erhalten geblieben.


Priesterpforte
Foto:W. Ebert
Der verputzte quadratische Turmoberbau entstand 1746. Das Innere wurde 1906-10 restauriert und umgestaltet. 2000 - 2004 wurde die gesamte Kirche außen und innen restauriert und erstrahlt nunmehr in neuem Glanz.
Ausstattung: ehemalige Patronatsloge von 1727, Kanzel aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, Kelch aus vergoldetem Silber von 1592, Glocke von Franz und Magnus Beutelz von 1621 sowie ein geschnitztes Wappenepitaph von 1687.
Gutshof: Das Schloss selbst ist nicht mehr vorhanden. Eines der früheren Kavalierhäuser, ein eingeschossiges Gebäude, trägt ein Mansarddach und stammt wohl aus dem 18. Jahrhundert.
Wohnbauten: Arbeiterwohnhäuser und Schnitterkasernen und ein eingeschossiges Mittelflurhaus, vierachsiger Putzbau mit erkennbaren Fachwerkgiebeln. Besonders hervorzuheben ist ein eingeschossiges, fünfachsiges Doppelstubenhaus aus Fachwerk auf dem Anger. Es besitzt einen Giebel mit Quadratgefachen und doppeltem Andreaskreuz. Im Querflur befindet sich eine große Schwarze Küche mit Herdanlagen und Rundbogentüren. Das Gebäude ist in den letzten Jahren umfassend restauriert worden und ist jetzt Sitz der Gemeindeverwaltung.

Innenansicht der Kirche im Jahre 2004
Foto: W. Ebert

Hohenfinow - Doppelstubenhaus
Foto: W. Ebert

 
Park
: Der Landschaftspark am Gut und die Alleen auf dem Anger und zum Liebenstein sowie die Grabstellen der Familie von Bethmann-Hollweg auf dem Friedhof sind erhalten geblieben.
 

 

Karlswerk, Wohnplatz von Hohenfinow

In der Nähe des Wohnplatzes entdeckte man im Finowbruch als Moorfund ein Schwert der jüngeren Bronzezeit (Möriger Typ). Die Sitte, Waffen, Schmuck und Arbeitsgeräte in Mooren oder Gewässern zu versenken, war im Nordischen Kreis üblich und hat wahrscheinlich mit dem Totenkult zu tun.


Hohenfinow und Umgebung / GUM

Am Nordrand der Hohenfinower Ackerfläche ließ Mathäus von Vernezobre 1752 eine Krappmühle errichten und nahm 1757 eine Krappfabrik in Betrieb, die er 1759 nach seinem verstorbenen Sohn Henry Charles Frederic Carlswerk nannte. Erst 1929/30 wurde die heutige Schreibweise Karlswerk festgelegt. Aufbau und Betrieb erfolgten mit Hilfe eines holländischen Fachmannes, der die Wasserkraft des in Sammelteichen gestauten Buldernfließes nutzte. Durch Aufkauf von krapphaltigen Pflanzen (so die Färberröte, Rubia tinctorum) aus rund 200 Kleinbetrieben aus der Umgebung von Angermünde, Eberswalde und Freienwalde konnte das Werk jährlich rund 6.000 kg des in der Textilindustrie für die Farbstoffherstellung (gelb, rot) verwendeten Mehls der Krappwurzel produzieren. Noch vor der synthetischen Herstellung des Farbstoffs (ab 1870) wurde die Krappmühle stillgelegt und 1864 abgerissen. 1770 verlegte man die Nagelfabrik von Sophienhaus nach Karlswerk und schaffte Arbeiterwohnungen sowie 9 Büdnerstellen. Da der Gewinn gering blieb, verpachtete die Gutsherrschaft die Draht- und Nagelfabriken in Sophienhaus und Karlswerk 1783 an die Königliche Bergwerks- und Hüttenadministration. Ein Zainhammer entstand. Die Werksangehörigen schmiedeten gussstählerne Stabeisen und benutzten dazu seit 1846 die Dampfkraft. 1817 wurde anstelle der Drahtfabrik ein Stahlhammerwerk errichtet. 1834 reprivatisierte der Staat den Betrieb. 1860 gehörten zum Hüttenwerk 14 Wohn- und 21 Wirtschaftsgebäude (Dampfgussstahlfabrik). 1858 erwarbt der Industrielle O. Grubitz das Werk und ließ Achsen, Federn und Räder für die Bahn produzieren (R. Schmidt 1930). Die seit 1863 begonnene Produktion von Gussstahlgeschützen scheiterte an der Konkurrenz der Kruppwerke. Nach dem Bankrott des Eisenbetriebes 1869, der 200 Arbeiter beschäftigt hatte, kaufte Felix von Bethmann-Hollweg die Anlage zurück, ließ sie abreißen und nutzte die verbliebenen Gebäude als Landarbeiterwohnungen. Nach 1865 wurde unweit der Bahnstation Niederfinow ein Ziegelringofen angelegt, der ehemaligen Karlswerkern Arbeit bot. Nach 1928 entstand westlich davon eine moderne Ziegelei, deren Maschinen 1945/46 durch die Besatzungsmacht demontiert wurden. 1959 legte man die Teiche von Karlswerk trocken und bepflanzte sie.
 

Struwenberg, Ortsteil von Hohenfinow

Struwenberg umfasste nur wenige Häuser südlich des Bahnhofs Niederfinow am Fuße des Barnimplateaus. Bis 1791 hatte die Hohenfinower Gutsherrschaft hier den Bau von Büdnerhäusern als Garnweberkolonie gestattet. Die Büdnerstellen "am Damm nach Niederfinow" (1707) übernahmen 1751 den Flurnamen ,Am Struwenberg'. Das mittelniederdeutsche struf = emporstarrend, rauh, uneben, nicht glatt gibt die topographische Situation des steil ansteigenden Berges wieder, der nach 1863, zur Zeit der Karlswerker Geschützproduktion den Namen Kanonenberg erhielt. Erst nach dem Eisenbahnbau errichtete man eine Ziegelei, eine Schneidemühle und um 1900 eine Pappfabrik, die eine Vergrößerung des Wohnplatzes nach sich zog. 1969 gründen sich hier die PGH Tischlerhandwerk und Schädlingsbekämfung.
Der 42,5 m hohe Kanonenberg verdient vegetationskundlich besonderes Interesse, da auf ihm ein südkontinentaler (pontischer) Trockenrasen ausgebildet ist, der auch als Haargras-Steppenrasen bezeichnet wird. Neben dem Haargras (Stipa capillata) wachsen hier Boehmers Lieschgras (Phleum phleoides), Karthäusernelke (Dianthus carthusianorum), Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum) und Rheinische Flockenblume (Centaurea rhenana). Zu dem stark vertretenen Blauschwingel (Festuca trachyphylla) gesellen sich Zypressenwolfsmilch (Euphorbia cyparissias), Scharfer Mauerpfeffer (Sedum acre) und eine ganze Reihe wärmeliebender und trockenheitsertragender Arten.

Literatur:
Landschaften in Deutschland - Werte der deutschen Heimat. Um Eberswalde, Chorin und den Werbellinsee. Böhlau Verlag, 2002

© Märkische Eiszeitstraße, K. Rohlfien, Verein für Heimatkunde Eberswalde, 2004