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Die herbschöne und interessante Landschaft des Urstromtales wird geprägt durch zwei bedeutende Wasserstraßen. Die ebene Lage bot ideale Bedingungen für die Anlage von Kanälen. Oder und Havel waren schiffbar, aber zwischen beiden bestand keine Verbindung. So mussten die Waren auf einem langen und gefahrvollen Landweg von Oderberg bzw. Niederfinow nach Liebenwalde trans- portiert werden. Schon Kurfürst Joachim Hektor (1505-1571) ließ einen Plan für eine schiffbare Verbindung beider Flüsse anfertigen. Aber erst 1603 unter Kurfürst Joachim Friedrich begann der Bau der "Neuen Flut" zwischen Liebenwalde und Möllensee bei Schöpfurt (Finowfurt), von wo die Schiffe dann auf der begradigten und vertieften Finow bis Oderberg fahren sollten. 1608 starb der Kurfürst und sein Sohn Johann Sigismund setzte die Arbeiten fort. Das erste Schiff, beladen mit Ziegeln, befuhr am 5. Juli 1609 den Kanal. Die 3 Meilen (22,6 km) lange Strecke bis Schöpfurt, welche über 5 Schleusen verfügte, wurde auch Treidel oder Trödel genannt, weil die Schiffe infolge fehlender Strömung mit einem Seil vom Ufer aus gezogen, also getreidelt werden mussten. 1620 war der Kanal bis Eberswalde schiffbar. Er besaß auf dieser Strecke 11 Schleusen. Ab Eberswalde wurde der unveränderte Flusslauf der Finow genutzt. Zur Verbesserung des Schiffsverkehrs sollten auch hier noch 2 Schleusen (bei der Einmündung der Ragöse und oberhalb von Niederfinow) errichtet werden. Der 1618 ausgebrochene Dreißigjährige Krieg verhinderte jedoch den Beginn der Bauten. Da auch die bereits vorhandenen Schleusen nicht genügend standfest waren und Reparaturen unterblieben, wozu noch Beeinträchtigung durch Kriegshandlungen kamen, verfiel der Kanal. Die Zerstörung der Schleusen führte zum Abfluss des Havelwassers in die Oder, was in beiden Gebieten zu großen Problemen führte. Deshalb errichtete man einen Damm bei Zerpenschleuse und schüttete darüber hinaus die Eberswalder Schleuse zu.
Erst mehr als 100 Jahre später wurde der Plan, Havel und Oder zu verbinden, wieder aufgenommen. Friedrich II. war es, der unmittelbar nach seiner Thronbesteigung den Gedanken der Oder-Havel-Verbindung aufgriff. Bereits 1743 begannen die Arbeiten. Unter Nutzung des alten Kanals schritten sie rasch voran, so dass bereits am 16. Juni 1746 ein mit Salz beladenes Schiff die Probefahrt erfolgreich bestand. Am Ende der Regierungszeit Friedrich II. besaß der Kanal bei einer Länge von 41 km und einem Gefälle von 40 m insgesamt 15 Schleusen. Der westliche Teil des Kanals von Liebenwalde bis zur Einmündung der Finow bei Grafenbrück wurde weiterhin die Flut oder der alte Trödel genannt. Die Erneuerung der Schleusen in neuer Bauweise, der Ausbau des Kanalprofils und die Lösung der Wasserversorgung des Kanals im 19. Jahrhundert erhöhten dessen Leistungsfähigkeit erheblich und führten zu einer außergewöhnlich hohen Auslastung.
Während bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Schiffe mit Hilfe von Segeln oder
durch Treideln (meist durch Menschenkraft, seltener durch Pferde) vom Ufer aus oder durch Staken vom Schiff aus fortbewegt wer- den mussten, befuhr Ende April 1856 erst- mals ein Dampfschiff den Finowkanal. Aber erst ab 1863 hielt die Dampfschiffahrt hier endgültig Einzug. Seine größte Inanspruchnahme erlebte der Finowkanal in der Zeit von 1888 bis 1900. Trotz Nacht- schleusung war der Andrang nicht mehr zu bewältigen. Vor den Schleusen stauten sich die Schiffe. So entschloss sich die preußische Regierung zum Bau eines neuen, größeren Kanals, des Großschiffahrtsweges Berlin - Stettin,
des heutigen Oder- Havel-Kanals, der 1914 eingeweiht wurde.
Sportboote auf dem Oder- Havel- Kanal.
Foto: H. Domnick |
Flusskreuzfahrtschiffe am Kai von Oderberg
auf der Oder- Havel-Wasserstraße
Foto: H. Domnick | Die Streckenführung erfolgte nun so, dass man jetzt von Lehnitz bis Niederfinow ohne Schleusen auskam. Zum Ausgleich des Niveauunterschiedes von 36 Metern wurde bei Niederfinow eine Schleusentreppe (4 Schleusen mit einer Hubhöhe von 9 Metern) erbaut, die man 1934 durch ein Schiffshebewerk ersetzte.
Zwischen Ruhlsdorf und Zerpenschleuse kreuzten sich beide Kanäle und bildeten so ein bemerkenswertes Wasserstraßenkreuz, welches ohne wasserbauliche Einrichtungen ein ungehindertes Befahren von 4 Kanalabschnitten ermöglichte. 1924/25 wurde allerdings die Zerpenschleuse zugeschüttet und die Verbindung zur Havel gekappt. Der Lange Trödel war nunmehr ein nicht mehr durchgehend befahrbares Gewässer.
Nach der Inbetriebnahme des neuen Kanals nahm zwar der Schiffsverkehr auf dem Finowkanal stark ab, die ortsansässige Industrie und die Holzflößerei sorgten aber noch dafür, dass er nicht zum Erliegen kam. Zum Ende des zweiten Weltkrieges sprengte die deutsche Wehrmacht nahezu alle Brücken und Kanaleinrichtungen (mit Ausnahme des Schiffshebewerkes) und legte so den Schiffsverkehr bis 1952 lahm. 1962 waren es noch rd. 11 000 Tonnen Güter, die die Schleuse Ruhlsdorf passierten. Dann ging es langsam und stetig bergab.1972 wurde der Schiffsverkehr eingestellt. Der Finowkanal diente nur noch dem Abfluss des Wassers, drohte zu verfallen und zuzuwachsen.
Als erste wies 1993 die Gesellschaft Märkische Eiszeitstraße auf die touristische Bedeutung des Finowkanals hin und organisierte eine Unterschriftensammlung für den Erhalt und Ausbau desselben. Der 1994 gegründete "Förderverein für den historischen Finowkanal" setzte diese Bemühungen erfolgreich fort und erreichte im Jahre des 250jährigen Bestehens des Kanals den Regierungsbeschluss zu dessen Wiederinstandsetzung. Seit November 1996 koordiniert eine Kommunale Arbeitsgemein- schaft die Aktivitäten der Finowkanal-Anrainergemeinden und bemüht sich, den ältesten noch in Betrieb befindlichen Kanal nördlich der Alpen zum Touristenmagneten der Region zu entwickeln.
1991 befuhr das erste Fahrgastschiff, die "Brummel" unter Kapitän und Eigner Gerd Neumann wieder beide Kanäle. Sie wurde später ersetzt durch die "Freiherr von Münchhausen II". Neuerdings verkehrt auch das Restaurantschiff "Schorfheide" der Reederei Schlößin von Altenhof nach Finowfurt. Alle Fahrgastschiffe fahren nur zu besonderen Anlässen. Ein Anlegen in Ruhlsdorf wird möglich, wenn die hierfür geplante öffentliche Anlegestelle fertiggestellt ist.
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