Die Ausbreitung der donauländischen Ackerbaukulturen fällt noch in die Zeit des Klimaoptimums im Atlantikum. Der norddeutsche Raum (Mecklenburg, Vorpommern, Brandenburg) war von den Eichenmischwäldern bedeckt und noch von den mittelsteinzeitlichen Jägern, Sammlern und Fischern besiedelt. Nach charakteris- tischen Ornamenten aus eingeritzten Linien und Bändern in ihren Tongefäßen bezeichnet man diese eingewanderten Gruppen als "Bandkeramiker" bzw. "Linien- bandkeramiker". Ihrer Herkunft nach werden sie auch als "Donauländische Kulturen" bezeichnet.
Die Hinterlassenschaften der ältesten Ackerbauern im Bereich der Märkischen Eizeitstraße sind durch Funde von Linienbandkeramik aus Siedlungszusammen- hängen charakterisiert. Die Siedler waren offenbar aus dem Weichsel- und oberen Oderraum entlang der Flüsse Notec, Warta und Oder eingewandert. Sie brachten sämtliche Kulturelemente einer vollentwickelten jungsteinzeitlichen Bauernkultur mit.
Die Siedlungsfundplätze konzentrieren sich auf den Grundmoränen mit fruchtbaren schwarzerdeähnlichen Böden in Wassernähe um Prenzlau bis zur Randow sowie zwischen Angermünde und Schwedt. In der archäologischen Kartierung erscheint das älteste bäuerliche Siedlungsgebiet in der Uckermark weitab von den weiträumigen Siedlungsregionen Mitteldeutschlands und Schlesiens wie eine Insel inmitten der Jagdgebiete der mittelsteinzeitlichen Jäger (K. Raddatz 1935). Die uckermärkische Gruppe der Bandkeramik ist das nördlichste Vorkommen dieser Kultur in Europa. Hier sind zur Zeit 36 Fundplätze bekannt (K. P. Wechler 1996; J. Parschau 1988).
Ausgrabungen beschränkten sich in Brandenburg bisher auf kleinflächige Untersuchungen und Rettungsgrabungen. Aussagekräftige Ergebnisse brachten die Untersuchungen von Klaus Raddatz (1938) bei Blindow und die Sondierungs- grabung von Karl-Uwe Heußner bei Zollchow (1988). Auf der Grundmoräne über dem Westufer des Unteruckersees beim Dorf Zollchow entdeckten ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Tonscherben mit Verzierungen der Linienbandkeramik und Bodenverfärbungen als typische Anzeichen für eine Siedlung. Archäologen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Schwerin führten 1983 und 1984 Sondie- rungsgrabungen durch. Die Zollchower Siedlung wird durch eine Radiocarbon- analyse in die Zeit um 5060 v. u. Z. datiert. Eine weitere Siedlung der Bandke- ramik bei Prenzlau um 4000 v. u. Z. (H. Geisler/G. Wetzel 1999).
Unter den geborgenen Funden standen an erster Stelle Scherben von Gefäßen, die aus geschlämmten Ton geformt und hart gebrannt waren. Sie zeigen "bogige Bandmuster in der ganzen Fülle der Variationen, die die jüngere und jüngste Linienbandkeramik auch im klassischen Verbreitungsgebiet hervorgebracht hat" (K. U. Heußner 1988, S. 15).
Kumpfförmige Gefäße mit flachen Standböden und reichen Verzierungen sowie zwei schalenförmige Gefäße konnten rekonstruiert werden.
Formen und Verzierungen der uckermärkischen Bandkeramik weisen auf die Herkunft der landnehmenden Bauern aus dem böhmisch-mährisch-schlesischen Raum hin.
Auf dem Zollchower Fundplatz konnte erst- mals an der nördlichsten Verbreitungs- grenze der Kultur der Linienbandkeramik Ackerbau mit Einkorn (Triticum monococ- cum), Gerste (Hordeum vulgare) und Erbse (Pisum sativum) botanisch belegt werden. Diese Funde verdanken Archäologen und Botaniker den steinzeitlichen Töpfern, die beim Herstellen von Tongefäßen gelegent- lich dem feuchten Ton gehäckseltes Stroh als Magerung beimengten. Deshalb befan- den sich in den Keramikscherben Abdrücke der Getreidekörner, Stroh und Spelzen, die eine exakte botanische Bestimmung der Getreidearten ermöglichten.
Im Gebiet der Bandkeramik war der Hausbau von den Niederlanden bis zur Weichsel so einheitlich, wie sonst nie mehr in der Urgeschichte Europas (F. Schlette 1964). In den drei bandkeramischen "Siedlungsinseln" des brandenburgischen Raumes konnten wegen des geringen Umfangs der bisherigen Grabungen derartige Hausgrundrisse nicht ausgegraben werden. Die bei Blindow und Zollchow untersuchten Gruben waren Befunde, die in Siedlungen häufig in unmittelbarer Nähe der Häuser auftreten. Hier hatte man lehmige Erde entnommen - vielleicht, um damit die Flechtwerkwände oder Bohlenwände des Hauses zu verschmieren oder zur Herstellung von Tongefäßen. Diese flachen Gruben oder Mulden füllten sich im Verlauf der Zeit mit Siedlungsabfall, der wie oben gezeigt, dem Archäologen viele Aufschlüsse liefert.
Selten wurden in unserem Raum Gräber der Ackerbauern der Bandkeramik gefunden. Wie der Löcknitzer Arzt Hugo Schumann (1904, S. 28) schreibt "... wurde 1879 von dem Bauernhofsbesitzer und Ortsvorsteher Kleinschmidt in Grünow. in einer Kiesgrube, etwa 1 m tief, das Skelett eines Erwachsenen neben dem eines Kindes ausgegraben. Das größere Skelett hatte an jedem Unterarm einen Ring von geglättetem Kalkstein (Marmor). Äußerer Durchmesser 118 mm, innerer 75 mm, Dicke 60 - 56 mm. In der Nähe fand sich auch ein Gefäß welches aber verloren ging ...".
Auf dem Rollmannsberg bei Criewen entdeckten Schüler beim Bau einer Erdhütte steinzeitliche Gräber. Die Reste wurden 1961/1962 von Horst Geisler vom Museum für Ur- und Frühgeschichte Potsdam ausgegraben.
Der Rollmannsberg liegt als isolierte Kuppe mit steilen Hängen am Rand der uckermärkischen Grundmoräne über der Schwedter Talsandterrasse und dem Lauf der Alten Oder. Auf der Oberfläche der Kuppe waren zwei Gräber eingetieft. Beide Skelette waren mit Rotsand umgeben. Die Körper lagen in gestreckter Rückenlage mit Blickrichtung zum Odertal. Durch die genannten Bodeneingriffe waren Teile der Bestattungen zerstört. Im Beckenbereich der südlichen Bestattung, eines etwa 25 Jahre alten Mannes, lagen als Beigaben ein Dolch, geschnitzt aus dem Mittelfußknochen eines Rothirsches, und eine Feuersteinklinge. Um die Oberschenkel lagen kleine durchbohrte Schneckengehäuse, die einmal als Schmuck auf einem Kleidungsstück, vielleicht einem Lendenschurz, befestigt waren. Bei der Teilzerstörung dieser Bestattung fand man den durchbohrten Kopf einer Keule, der aus einem marmorähnlichen Kalkstein geschliffen war.
Im zweiten Grab war ein etwa 40 Jahre alter Mann bestattet. In mühevoller Kleinarbeit dokummentierten und bargen die Ausgräber um den Oberkörper des Skeletts mehr als 3 000 kleine durchbohrte Schneckengehäuse. Der Tote war offenbar in ein Tuch oder Gewand gehüllt, das mit diesen Schneckengehäusen benäht war.
Die Radiocarbonanalysen datieren die beiden Bestattungen in die Zeit um 4700 bis 4500 v. u. Z. Sie liegen damit in dem gleichen zeitlichen Bereich wie die bandkeramischen Siedlungen von Zollchow und Prenzlau.
Kulturell werden die beiden Gräber als Bestattungen mittelsteinzeitlicher Jäger angesehen, während der Keulenkopf (wie die Marmorringe aus dem Grünower Grab) aus dem Bereich der böhmischen Bandkeramik hergeleitet wird. Die Gräber vom Rollmannsberg dokumentieren das Nebeneinander mittelsteinzeitlicher Jäger, Fischer und Sammler und jungsteinzeitlicher Ackerbauern und Viehzüchter in unserer Region
um die Mitte des 4. Jahrtausends v. u. Z.
© Märkische Eiszeitstraße, R. Schulz, G. Lutze, 2003