Als die Archäologen sich für die Großsteingräber im Bereich der heutigen Märkischen Eiszeitstraße zu interessieren begannen, waren die meisten Grabanlagen bereits ausgeräumt. Zu ihrer Interpretation kann weitgehend auf die Ergebnisse des mehrfach erwähnten Forschungsprogramms (E. Schuldt 1972) zurückgegriffen werden.
Die Gräber der Trichterbecherkultur, sowohl die Erdgräber wie auch die Großsteingräber, wurden in unmittelbarer Nähe der Siedlungen teilweise auch in den Siedlungen angelegt. Die Urdolmen waren, ähnlich wie die Steinkisten, ursprünglich nur für die Bestattung eines Toten bestimmt. Die Zugangsöffnungen bei den obertägigen Urdolmen und in den erweiterten Dolmen darauf hin, daß hier offenbar beabsichtigt war, weitere Verstorbene einer Sippe oder Siedlungsgemeinschaft beizusetzen. Wir sprechen von einem "Kollektivgrab". Die Zugangsmöglichkeiten weisen auch eingegrabene Urdolmen auf. Somit dürften auch sie für mehrere Bestattungen vorgesehen sein.
In allen Großsteingräbern, deren ursprügliche Bestattungen erhalten geblieben waren, stellten E. Schuldt und seine Mitarbeiter einen ungewöhnlichen Bestattungsritus fest: " Die Toten lagen z. T. in mehreren Lagen übereinander, wobei die Schichten durch Sand oder Lehmschüttungen getrennt und abgedeckt waren. In keinem Grab konnten echte Körperbestattungen erkannt werden, d. h. es gab keine Toten, die in Streck- oder Hockerlage angetroffen wurden. Immer waren die Gebeine in größeren oder kleineren Haufen zusammengelegt, und sicher enthielten die einzelnen Depots nicht alle Gebeine der Skelette. Wir müssen aus diesen immer wieder gemachten Beobachtungen folgern, daß die Toten, bevor sie ihren Platz in den Grabkammern erhielten, bereits an anderen Stellen niedergelegt waren." Aus der Völkerkunde sind Bestattungsriten bekannt, in denen wurden die Verstorbenen auf besonderen Plätzen oder Podesten aufgebahrt bis die Körper verwest und zerfallen waren. Die Knochen wurden danach eingesammelt und gesondert bestattet. Die Stellen der ersten Bestattungen sind der Forschung bisher unbekannt geblieben. Aus der Völkerkunde sind auch Bestattungsriten bekannt, in denen mehrfache Ausgrabung und "Umbettung" der Bestatteten üblich waren (J. E. Lips 1953).
Beigaben für die Bestatteten in den Großsteingräbern sind Tongefäße, Äxte und Beile sowie Meißel aus Feuerstein, Pfeilspitzen und Schmuck, der mitunter aus Bernsteinperlen besteht (E. Schuldt 1966, S. 16f.). Aus der Beigabe von Gegenständen des täglichen Gebrauchs, Waffen Schmuck und Nahrungsmitteln lassen auf Vorstellungen schließen, daß die Seelen oder Geister der Verstorbenen weiter existierten. Nicht selten fanden die Ausgräber auch Gegenstände von Beigabencharakter außerhalb von Großsteingräbern (Keramik, Steingeräte und Waffen). Diese Befunde werden unterschiedlich interpretiert. E. Schuldt sah in diesen Funden, die Überreste von Beigaben der Bestattungen in den Megalithgräbern, die anläßlich späterer Bestattungen ausgeräumt wurden. Bei dänischen Großsteingräbern schloß man auf die Überreste von Zeremonien, die am Grab zu Ehren der Verstorbenen abgehalten wurden.
Unter dem Eindruck der in Dänemark ausgegrabenen großflächigen Häuser der Trichterbecherkultur interpretierte der Kieler Archäologe Gustav Schwantes (1952, S. 155) ein Hünenbett mit megalithischen Kammern: "Wie die Lebenden in den Zimmern langgestreckter Häuser wohnten, so sollte auch den Toten ein derartiges Langhaus gehören. Die Wände dieses Totenhauses sind mit großen Findlingssteinen abgestützt, deren eben Flächen nach außen gewandt sind. Das Innere wurde mit Erde gefüllt, in die man die Wohnräume für die Toten einbaute, eben die erwähnten Steinkammern. Lücken in der steinernen Außenwand führten zu einem Gang, durch den man in die Totenkammer gelangen konnte."
Wie viele Ackerbauernvölker haben wohl auch die jungsteinzeitlichen Bauern der Trichterbecherkultur ein enges Verhältnis zu ihren verstorbenen Ahnen gepflegt. Dies erschließt sich auch aus dem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zwischen Siedlungen und den Gräbern. Die Großsteingräber symbolisieren das dauernde Gedächtnis, welches verbunden mit Zeremonien und Opfergaben die Geister der Ahnen zum Schutz und Nutzen der Lebenden an die Gemeinschaft binden sollten. Nach außen markieren die Grabmale unübersehbar die Territorien und repräsentieren die Kraft und den Zusammenhalt der Siedlungsgemeinschaften, Sippen oder Großfamilien, die in der Lage waren, derartige Monumente zu errichten.
Nach einer historisch kurzen Zeitspanne von etwa sieben Menschengenerationen wurden die in den Großsteingräbern noch verbliebenen Hohlräume mit Erde und Rollsteinen zugefüllt. Neue Megalithanlagen wurden nicht errichtet. Man ging zu anderen Bestattungssitten über. Die "Kugelamphorenleute" nutzten die vorhandenen Gräber und bestatteten ihre Verstorbenen ebenfalls darin (H. Keiling 1986). In diesem Zusammenhang wurden nicht selten die älteren Bestattungen gestört oder gar ausgeräumt. Nachbestattungen wurden im späten Neolithikum nur noch in den Einfüllschichten der Großsteingräber vorgenommen.
© Märkische Eiszeitstraße, R. Schulz, G. Lutze, 2003