Wie baut man ein Großsteingrab? 

Transport des Baumaterials | Bau der Grabanlage | Arbeits- und Zeitaufwand

Die Schweriner Archäologen Ewald Schuldt (1972; 1976) und Erika Nagel (1984) haben die Arbeitsvorgänge nach den Ergebnissen Grabungs- und Forschungs- programms 1964-1973 zusammenfassend geschildert.

Transport des Baumaterials

Als erstes wurden als Baumaterialien geeignete Großgeschiebe in den Siedlungsgebieten und deren weiterer Umgebung aufgesucht. Diese mußten gegebenenfalls ausgegraben werden. Man bevorzugte Steine, die, bedingt durch die eiszeitliche Gletschertätigkeit, wenigstens eine plangeschliffene Fläche aufwiesen. Zum Spalten von Steinblöcken wurden in der Jungsteinzeit mit Hilfe von Wasser, Feuer, Keilen und Keulen Verfahren angewendet, die noch im 19. Jahrhundert bei den Steinschlägern in Norddeutschland und Dänemark beobachtet wurden. Der Transport der Bauelemente zum Bauplatz war eine aufwendige Arbeit. Die tonnenschweren Blöcke wurden auf Rollen aus Baumstämmen bewegt. Damit sich die Rollen unter dem Gewicht des Steins nicht in den Boden drückten, wurden andere Stämme oder Balken als Schienen in der beabsichtigten Bewegungsrichtung untergelegt. Auch Transportgestelle in Form von Schlitten oder Schleifen konnten zum Einsatz kommen. Mit Hilfe von Hebebäumen, Keilsteinen und Keilen wurde der Stein auf das Transportmittel gehebelt. Mit Seilen konnte er nun gezogen werden. In abschüssigem Gelände waren Keile als Bremsen wichtig. Sollte der Stein ausschließlich mit Menschenkraft bewegt werden, so ist mit 15 Arbeitskräften pro Tonne Gewicht zu rechnen. nach obenVielleicht wurden Rinder als Zugtiere eingesetzt.

Bau der Grabanlage 

Auf dem vorbereiteten Bauplatz wurde die Grabgrube oder ein Fundamentgraben ausgehoben. Die Trägersteine wurden herumgelegt und mit Hilfe von Hebebäumen und Verkeilsteinen, mit der glatten Seite nach innen, in die Grube gedrückt und aufgerichtet. Die meist unregelmäßige Unterseite wurde durch untergelegte Standsteine gesichert. Oft wurden die aufgerichteten Wandsteine durch Packungen aus feucht gestampftem Lehm gesichert.

Bau eines Großsteingrabes (Zeichnung: U. Schwert)

Im Innenraum bildete der Stampflehm den Boden der Grabkammer. Außen umgab er nach dem Austrocknen die Kammer als fester Mantel. Anschließend wurde um das Bauwerk herum der Hügel aufgeschichtet, wozu besonders Rollsteine Verwendung fanden. In der Grabkammer wurden die Lücken zwischen den großen Träger- bzw. Wandsteinen mit einem Trockenmauerwerk ausgefüllt und mit Lehm verstrichen. Bevor die Decksteine aufgebracht wurden, mußte die Grabkammer abgestützt werden, damit nicht etwa die mühsam aufgerichteten Wände durch das Hinaufschleifen der Decksteine beschädigt oder umgestoßen wurden. Dazu wurden wahrscheinlich hölzerne Stützkonstruktionen oder eine Steinpackung als Abstützung in die Grabkammer eingebaut (E. Nagel 1984). Auf einer gesondert angelegten Rampe, die mit Rollsteinen verstärkt wurde oder auf der Böschung des Grabhügels wurden mit Hilfe der oben genannten Transportmittel die Decksteine über die Grabkammer geschleift. Nach dem Ausräumen der Stützkonstruktion konnte der Innenausbau der Grabkammer beginnen. Die Wände wurden in ihren oberen Teilen abgedichtet. Der Boden der Kammer wurde häufig mit einem Steinpflaster ausgelegt und durch Reihen aus kleinen, hochkant stehenden Steinplatten in mehrere "Quartiere" aufgeteilt. Zum Abschluss wurde der Grabhügel mit einer Einfassung aus Steinen versehen, seiner Form entsprechend nach obenentweder als runder Steinkreis oder als viereckiges Hünenbett.
 

 

Arbeits- und Zeitaufwand

Auf der Grundlage experimentell-archäologischer Erfahrungen mit Erd- und Steinarbeiten sowie konkreter völkerkundlicher Beobachtungen entwickelte der Freiburger Archäologe Johannes Müller (1990) ein EDV-Programm, das die Arbeitsleistungen für monumentale Steinanlagen unter Einsatz einfacher vorindustrieeller technischer Hilfsmittel berechnet. Er ermittelte den Arbeitsaufwand für ein großes Ganggrab mit 49 Meter langem Hünenbett bei Kleinkneten, Landkreis Oldenburg. Danach hätten 100 Personen bei einem zehnstündigen Arbeitstag in etwa 3 � Monaten diese große Anlage errichten können. Die Ergebnisse liegen erstaunlich unter früheren Berechnungen oder Vermutungen, die mitunter mehrere Jahre oder Jahrzehnte für den Bau einer Megalithgrabanlage veranschlagten. Den größten Arbeitsaufwand erforderte der Transport der großen Steine. Beim Einsatz von Rollen oder Schlitten waren pro Tonne Gewicht 15 Menschen zum Ziehen mit Seilen erforderlich. Den Transport des 4 Tonnen schweren Decksteins vom erweiterten Dolmen Brüssow-Hammelstall hätten also 60 Arbeitskräfte bewerkstelligen können. Beachtliche Transportleistungen auch für das Stein- und Erdmaterial des Grabhügels und die Einfassung erbracht werden. Grundvoraussetzung für Berechnungen der Arbeitsleistungen ist die "Quantifizierung" der Megalithanlage, d.h. die Ermittlung des Volumens und des Gewichts jedes einzelnen Bauelementes. Es ist zu beachten, nicht für alle Arbeitsschritte gleich viele Arbeitskräfte erforderlich waren, dass andererseits auch manche Arbeitsgänge parallel verliefen. Bei einem erweiterten Dolmen unseres Gebietes, z.B. dem Mürower Grab wird man auf der relativ kleinen Baustelle für das Aufrichten der 5 Trägersteine den Einsatz von 12 Arbeitskräften annehmen können. Diese benötigten für diese Arbeiten etwa 12 bis 13 neunstündige Arbeitstage. Für das Auflegen der beiden etwa 4 Tonnen schweren Decksteine waren, wie vorher beim Transport, erheblich mehr Personen erforderlich. Beim Einsatz von 60 Arbeitskräften könnte nach oben diese Arbeit an einem Tag erledigt werden.

© Märkische Eiszeitstraße, R. Schulz, G. Lutze, 2003