Kulturen der Steinzeit

- Jüngere Altsteinzeit 12 000/10 000 - 8 000 v. u. Z. -

(Jungpaläolithikum)

Jägernomaden (Waldjäger) - die ältesten Spuren der Menschen

Aus der Zeit der Alleröd-Wärmeschwankung stammen die ältesten Spuren der Menschen im Bereich der Märkischen Eiszeitstraße (K. P.Wechler 1996). Einige charakteristische Feuersteingeräte zeigen, daß Waldjäger aus dem Thüringer Land in unserer Landschaft ihre Zelte aufschlugen (Federmessergruppe).

Felszeichnung Rentier
Schaber, Stielspitzen und Messer
 

In der scheinbar unwirtlichen Kältesteppe der Jüngeren Tundrenzeit konzentrieren sich menschliche Spuren vor allem im unteren Uecker-Randowgebiet zwischen Ueckermünde und Pasewalk sowie in der weiteren Umgebung von Angermünde. Von Herzfelde bei Templin sowie um den Parsteiner See, bei Chorin und Eberswalde sind Funde bekannt geworden. Durch die Fundumstände bedingt (Oberflächen- funde), waren es im Gebiet überwiegend Geräte aus Stein. Wenige Knochengeräte stammen aus Moorfunden.
Nach Ausgrabungen im Hamburger und Berliner Raum, sowie Baggerfunden aus dem Havelland sind die Lebensumstände derfrühen Jäger rekonstruierbar.¹

Feuerstein-Werkzeuge

Ein wichtiger Rohstoff, den die Eiszeit hinterließ, war der Feuerstein - ein sehr hartes Gestein, das leicht zu spalten ist.²
Mit großem Geschick konnten die Menschen durch Schläge mit weicheren Steinen oder durch Druck mit einem Knochen- oder Geweihstab von den Feuersteinknollen lange Klingen mit messerscharfen Kanten abspalten. Aus den Klingen wurden durch Abdrücken kleiner Absplisse (retuschieren) spezialisierte Geräte geformt.
Während die Stielspitzen als Spitzen für Pfeile und Speere dienten, waren die Messer vielseitig einsetzbare Schneidegeräte. Daneben gab es Stichel, mit kurzer kräftiger Schneide. Mit dem Stichel trennte man z.B. Späne aus Geweihstangen oder Röhrenknochen heraus. Aus diesen Spänen wurden Spitzen für Speere und Harpunen geschnitzt. Mit Schabern wurden Felle bearbeitet. An den ehemaligen Lagerplätzen der Jäger findet man häufig die Feuersteinabfälle der Geräteherstellung.

Bei Eberswalde wurde ein beilartiges Gerät gefunden, bei dem die Stange eines Rentiergeweihs als Schaft diente, während eine Sprosse schräg abgeschnitten zu einer Schneide ausgearbeitet wurde. Das Rengeweihbeil war als Hiebwaffe bei der Jagd und im Kampf einzusetzen und leistete andererseits als Hacke zum Auflockern des Bodens nützliche Dienste.

Rengeweihbeil
Rengeweihbeil

Jagd mit Fernwaffen

Die Funde und Ausgrabungsbefunde deuten auf Jäger, die Fernwaffen wie Pfeil und Bogen, Wurfspeer und Harpune einsetzten. Ziel der Jäger waren die großen Rentierherden, die auf der Suche nach Weideplätzen im Frühjahr die Tundra nach Norden durchzogen. Nach kurzem arktischen Sommer zogen sie sich wieder in südliche Gefilde zurück. Die Jäger durchstreiften in kleinen Gruppen die Tundra. Ihre Jagdlager mit fellbespannten Zelten schlugen sie mit Vorliebe dort auf, wo die riesigen Rentierherden Hindernisse im Gelände passieren mußten. Etwa in der Nähe von Furten in Fließgewässern oder auf den Landstreifen zwischen den häufig gruppen- oder kettenartig in der Landschaft verteilten Seen.
Hier versprach die gemeinsame Jagd den größten Erfolg, wenn Hunderte oder gar Tausende Tiere auf engem Raum zusammengedrängt in ihrer Beweglichkeit und Fluchtmöglichkeit eingeschränkt waren.

Rentierlager
Jüngere Altsteinzeit, Lager der Rentierjäger.
Zeichnung U. Schwert
JagdaufRentiere
Jagd auf Rentiere. Zeichnung U. Schwert

Rationelle Nutzung der Beute
Die erlegten Beutetiere wurden rationell genutzt. Das Fleisch wurde zur Bevorratung getrocknet. Mitunter wurden im Dauerfrostboden Gruben angelegt, in denen Fleisch, gewissermaßen in einer natürlichen Kühltruhe, aufbewahrt wurde. Die Felle der erlegten Tiere wurden zu Kleidung und zu Zeltwänden verarbeitet. Magen und Blase ergaben nützliche Beutel und Behälter. Aus den Sehnen und Därmen stellte man Fäden und Schnüre her. Mit ihnen wurden die Fellstücke zusammengenäht, Speer- und Pfeilspitzen in ihren hölzernen Schäften befestigt. Besonders haltbar mußten die Sehnen der Jagdbogen und die Fangleinen der Harpunen sein. Aus den Geweihstangen und den Knochen wurden vielfältige Geräte hergestellt. Offenbar wurden Knochen auch als Brennmaterial für das Lagerfeuer genutzt. Wenn gegen Ende des arktischen Sommers die Rentiere die Region verließen, folgten ihnen auch die Jägernomaden. (Abb. Rentiere Felszeichn. Norwegen.)
Die Rentierjäger kamen aus dem Hamburger Gebiet und Schleswig Holstein (Ahrensburger Gruppe). Auch Jäger von der Weichsel stellten im norddeutschen Flachland den Rentierherden nach (Swidrygruppe).
Gräber sind in unserem Gebiet aus dieser Zeit bisher nicht bekannt geworden. Bei der nomadisierenden Lebensweise ist nicht mit der Anlage und Nutzung von zentralen Bestattungsplätzen zu rechnen.

Jagd als Existenzgrundlage
Die Jagderfolge der Männer bildeten die Lebensgrundlage der Jägergruppen. Frauen sammelten Beeren, Früchte, Vogeleier, Kleintiere. Sie waren auf der Wanderungen für den Transport der Ausrüstung verantwortlich. Die Menschen der ausgehenden Eiszeit führten eine aneignende Wirtschaftsweise. Sie waren weitgehend abhängig vom Klima sowie von der Pflanzen- und Tierwelt. Die Spezialisierung auf die Rentierjagd bedingte ihre Lebensweise als Jägernomaden.


1 Ein anschauliches Lebensbild der Rentierjäger entwirft A. von Müller 1986 auf der Grundlage der Ausgrabungen bei Berlin Tegel und im völkerkundlichen Vergleich mit nordamerikanischnen Rentierjägern der Neuzeit. zurück

2 Feuerstein oder Silex entstand in den mesozoischen Ablagerungen der Kreidezeit als chemisches Sedimentgestein Siliciumdioxid. Mit ihm kann man durch Schlag Funken erzeugen und mit Hilfe von Zunderschwamm Feuer anzünden. Seit dem 17. Jahrhundert wurden die Steine in Steinschloßgewehren (Flinten) zum Funkenschlagen verwendet. Deshalb wird der Feuerstein auch als Flint bezeichnet. In der archäologischen Forschung sind alle drei Bezeichnungen üblich. zurück
 
© Märkische Eistzeitstrasse, R. Schulz, G. Lutze, 2003