In den Grund- und Endmoränenlandschaften sind die außerordentlich zahlreich vorkommenden Kleingewässer bzw. vermoorten Senken im Gelände (auch Hohlformen genannt) charakteristische Erscheinungen. Sie werden "Sölle" (Einzahl: das Soll) oder nach ihrer Entstehung "Toteishohlform" bezeichnet.
"Soll" ist dabei ein Sammelbegriff für eiszeitlich vorgeprägte wasserführende Kleinholformen verschiedener Entstehung. Sie befinden sich meist in natürlich abflusslosen Senken. Im Offenland gelegene Sölle nennt man Feldsölle oder auch Ackerhohlform.
In den weitgehend landwirtschaftlich genutzten Grundmoränen sind Sölle sehr belebende Erscheinungen im Landschaftsbild (Bild 1). Gelegentlich werden sie poetisch auch als "Himmelsaugen" in der Landschaft angesehen.
Lange Zeit galten die Sölle bei den Landwirten lediglich als "Bewirtschaf- tungshindernis", so dass man versuchte, sie mittels Abflussgräben zu entwässern oder sie mit Bodenmaterial zu verfüllen. Obwohl sie einen hohen ästhetischen und naturschutzfachlichen Wert haben, fanden sie in Naturschutzkreisen lange Zeit wenig Beachtung. Erst in jüngster Zeit sind sie Gegenstand zahlreicher ökologischer Untersuchungen.
Die "klassische" Theorie besagt, dass durch die Bewegungen der Gletscher mehr oder weniger große Eisblöcke - insbesondere in der Rückschmelzphase - abbrachen und von eiszeitlichem Geschiebe begraben wurden. Nach dem Austauen diese Toteisblöcke entstanden Einsturzhohlformen. Später füllten sich diese Senken mit Wasser und es bildeten sich die Kleingewässer in der Landschaft.
Neben der Entstehung aus einem Toteisblock konnten sich Kleingewässer in der Landschaft allerdings auch unter anderen Umständen bilden. Danach werden folgende Formen unterschieden:
Glazigene (echte) Sölle
Allein die echten Sölle entstanden nach der o. g. klassischen Vorstellung (Bild 3). Das Schema veranschaulicht ihre Entstehung und Entwicklung (Bild 4).
Pseudosölle
Moränenlandschaften haben meist eine sehr bewegte Oberfläche, in denen sich kleine Hügel oder Kuppen und Geländesenken abwechseln. In frühen Phasen der nacheiszeitlichen Landschaftsentwicklung waren diese Gebiete mit Wald bedeckt. Nach dem, etwa im 11. bis 13. Jh., der Wald großflächig gerodet wurde, entstand ein "Wasserüberschuss" in der Landschaft, da Wald die Vegetationsform mit dem höchsten Wasserbedarf ist. Infolge der großflächige Rodungen entstand ein "Wasserüberschuss", der so zu einem Grundwasseranstieg beitrug. In den Senken konnte sich das Wasser ansammeln und es formierten sich die Pseudosölle. Sie werden entweder durch einen Oberflächenzufluss oder durch Grundwasser gespeist. Anschaulich wird dies im Bild 6 am Beispiel der Oberflächen-Pseudosölle skizziert. Diese Sollformen sind mit Entwicklungsgeschichte ein Ergebnis
von Menschen ausgelöster Prozesse.
Vernässte Ackersenken
Auf den Ackerflächen in den Grundmoränen kann man im Frühjahr häufig in flachen Senken mehr oder weniger große wassergefüllte Stellen antreffen. Hier sammelt sich das Wasser, das von den bindigen Lehmböden nicht mehr aufgenommen wird (Bild 7). Diesen vernässten Ackerflächen werden bei der Bestellung der Felder ausgespart. Spätestens in Frühsommer liegen diese Feldbereiche meist wieder trocken. In dieser Situation bieten diese Bereiche speziell angepassten Pflanzenarten und Vögeln einen besonderen Lebensraum innerhalb der umliegenden Feldschlägen.
Vermoorte Senken
Sowohl aus Pseudosöllen als auch aus echten Söllen können sich im Verlaufe der Landschaftsgenese vermoorte Senken bilden. Als verbreitete Erscheinungen in den Grundmoränen sind Verlandungs- und Versumpfungsmoore sehr häufig anzutreffen. Vielfach sind beide Formen vergesellschaftet. Von der Landwirtschaft werden sie in der Regel als Grünland genutzt. Auf den nicht bewirtschafteten Flächen wachsen Schilfrohr und Weidengebüsche.
Mergelgruben
Von den Söllen zu unterscheiden sind die, in manchen Gebieten zahlreich anzutreffenden Mergelgruben. Sie haben oft eine noch deutlich erkennbare rechteckige Form, die aus ihrer Entstehungs- und Nutzungszeit herrührt. Wie bereits aus ihrer Bezeichnung hervor geht, wurde seit langer Zeit Mergel zu Düngezwecken geborgen und dann wieder auf kalkbedürftige Feldern ausgebracht. Mergelgruben sind besonders zahlreich in Gebieten anzutreffen, die einen sandigen Oberboden aufweisen und Mergelschichte im Untergrund anstehen haben. Es sind Grundmoränenareale, die z.B. in nacheiszeitlichen Perioden stark übersandet wurden, so dass diese Böden Kalkmangel zeigen.
Besonders häufig sind Mergelgruben deshalb auf den so genannten "Decksandlehmplatten" wie z.B. in der Umgebung von Altlandsberg.
In einer sehr anschaulichen Weise haben Klafs und Lippert (2001) die Unterschiede im Verteilungsmuster von Söllen und Mergelgruben für Mecklenburg-Vorpommern dargestellt. Während die Sölle entlang der großen Moränen in der höchsten Dichte auftreten, sind die Mergelgruben nordöstlich, fast parallel verschoben dazu am häufigsten.
In der Regel sind Sölle rundliche bis ovale Gebilde mit einer Größe von 0.01 bis 1ha, seltener bis 6 ha. Auf Grund der Nutzungsgeschichte der umgebenden Flächen können die Areale sehr vielgestaltig sein, wie am Beispiel einer Kartierung aus der Umgebung von Groß Ziethen (Barnim) ersichtlich ist (Bild 9).
Die
Sie können uns als tiefe Sölle oder schon als kleiner See, als flache "Wasserlöcher" oder seichte Sölle, als zeitweilig wasserführende oder als trockenstehende, vermoorte Senken in der Landschaft entgegen treten.
Je nach Vorhandensein von Wasserkörper und Vegetation werden folgende Solltypen unterschieden:
Sölle mit Wasserkörper:
Offener Typ
Das Soll besitzt einen mehr oder weniger ausgeprägten Wasserkörper. In Folge der Beweidung im Grünland oder der Ackernutzung bis fast an den Rand des Solls sind keine Sträucher oder Röhrichte am Ufer vorhanden (Bild Xo).
Saumtyp
Bei diesem Solltyp sind die Ufer z.B. von Röhrichten, hohen Seggen, Rohrglanzgras, von Ruderal-Vegetation (Acker-Kratzdistel, Große Brennnessel, Gemeiner Kerbel) umsäumt.
Sölle ohne Wasserführung:
Gehölztyp
Das "ehemalige" Soll ist mehr oder weniger mit Flurgehölzen bestanden.
Grünlandtyp
Das Soll wird als Weide oder Mähwiese landwirtschaftlich genutzt.
Bei wasserführenden Söllen kann die Wassertiefe von 3 - 10 m schwanken.
Die Wasserführung der Sölle wird von vielen Faktoren beeinflusst, z.B.:
In ältern Arbeiten über die Sölle wurde häufig formuliert, dass die Sölle unregelmäßig in der Landschaft verstreut seien. Eine Kartierung aller Ackerhohlformen in der Ziethener Moränenlandschaft nördlich von Chorin erbrachte ein sehr markantes Verteilungsmuster (Bild 14).Es zeigte Gebiete mit einer starken Konzentrationen von Söllen und Areale, die fast frei von Senken waren (Lutze et al. 2005). Überlagert man dieses Muster mit der Geomorphologie des Gebietes, so zeigen sich sehr deutliche Zusammenhänge Bild 15). Die überwiegende Anzahl von Ackerhohlformen befindet sich im Bereich der Grundmoräne. Auch wenn speziell in Grundmoränenbereichen auf Grund der meliorativen Maßnahmen eine große Anzahl von Ackersöllen verschwunden ist, kann hier noch ein beachtliche Dichte registriert werden. Insbesondere die kuppigen Grundmoränen westlich von Groß Ziethen verzeichnen eine deutliche Konzentration von Ackersöllen.
Nach den Grundmoränen besitzen die Satz- und Stauchendmoränen mit einem Anteil von über 20 % der Ackerhohlformen ebenfalls eine relativ hohe Dichte. Schließlich verbleiben noch die Sander und Niedermoorbereiche. Erwartungsgemäß befinden sich in den Sanderbereichen nur wenige Ackerhohlformen.
Betrachtet man die großräumig Verbreitung der Kleingewässer in den Landkreisen Barnin und Uckermark, so ergibt sich ebenfalls ein sehr charakteristisches Bild. Die größte Dichte erscheint ebenfalls in den Bereichen der Grund- und Endmoränen (Bild 16 u. 17). Damit ist ein deutlicher Hinweis auf die Genese der Landschaft erbracht. Die größte Dicht der Sölle findet sich im Bereich der ehemaligen Eiszerfallsgebiete.
In früheren Jahren betrachteten die Landwirte die nassen Senken oft als Bewirtschaftungshindernis. Sie versuchten deshalb diese durch kulturbautechnische Maßnahmen (Meliorationen) zu entwässern und zu beseitigen. Dreger (1994) wies z. B. für einen Landschaftsausschnitt westlich von Groß Ziethen im Zeitraum von 1888 bis 1993 eine Reduzierung der Anzahl der Ackerhohlformen von 131 auf 80 nach. In Folge von 3 Meliorationsprojekten wurden in einem größeren Gebiet der Ziethener Moränenlandschaft 79 Hohlformen (1985 - 38, Kernberge 1986 - 24 u. Schäferei 1988 - 17) aufgefüllt und fast alle mittels Gräben oder Dränagen an die Vorflut angeschlossen (Lutze et al. 2005). Auch wenn im Zuge der Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion zahlreiche Sölle beseitigt wurden, stellen sie noch heute ein immanentes Zeugnis naturräumlicher Landschaftsprägung dar. Oftmals vernässten die künstlich verfüllten Senken in feuchten Jahren, so dass sich die durchgeführten meliorativen Maßnahmen als wenig sinnvoll erweisen.
Aus landschaftsökologischer Sicht werden den Söllen folgende Funktionen beigemessen:
Senkenfunktion (Speicher für Wasser und Stoffe)
Sölle wirken als Ausgleichsraum und Speicher für das Wasser in der Landschaft. Dabei werden allerdings auch die mit dem Wasser von den umliegenden Feldern eingetragenen Nährstoffe aufgefangen und angereichert. Die Folge ist, dass zahlreiche Sölle z. T. stark eutrophiert sind, d.h. eine hohe Nährstoffbelastung aufweisen. Schließlich können natürlich durch Erosion auch Feststoffe in die Sölle gelangen, was zu Verlandungen führt.
Habitatfunktion
In den Agrarlandschaften sind die Sölle mit ihren Saumbereichen und Feldgehölzen meist die einzigen Areale, die mehr oder weniger naturbelassen sind. Noch bis in die 80er Jahre wurde ihre Habitatfunktion kaum beachtet. Auf Grund ihrer hohen Vielgestaltigkeit bieten die Sölle jedoch Lebensraum für eine große Anzahl von Pflanzen- und Tierarten. Für nicht wenige bedrohte Tier- und Pflanzenarten stellen sie ein Refugium in der sonst intensiv genutzten Landschaft dar.
Bild 19: Rotbauchunke und Laubfrosch - typischer Bewohner von Söllen |
Mit ca. 60 Arten finden zahlreiche Brutvögel ihren Lebensraum in und an den Söllen. Als charakteristische Vertreter können neben verschiedenen Entenarten der Schilfrohrsänger, das Braunkehlchen und die Schafstelze genannt werden. Zunehmend nutzen auch die scheuen Kraniche diese Kleingewässer als Bruthabitate.
Schließlich ermittelte Dreger (1994, 2001) in den 41 untersuchten Söllen 37 Vegetationseinheiten und erfasste insgesamt 275 Gefäßpflanzenarten in wasserführenden Hohlformen.
Damit besitzen die Sölle in der sonst strukturarmen Agrarlandschaft einen sehr hohen naturschutzfachlichen Wert.
Mikroklimatische Funktion
Durch die genannte Wasserspeicherfunktion und durch Gehölze in den Saumbereichen wird auch das Kleinklima in der unmittelbaren Umgebung beeinflusst. Somit wirken Sölle in gewisser Weise temperatur- und feuchtigkeitsausgleichend. Ein positiver Effekt auf die Erträge der angrenzenden Felder ist denkbar.
Ästhetische Funktion
Bergmann bezeichnete die Sölle in einem beeindruckenden Dokumentarfilm aus dem Jahre 1983 treffend als "Augen in der Landschaft". Auch wenn sie kein Wasser führen und "nur" noch Gehölze aufweisen, sind sie eine ästhetische Bereicherung der Felder. In mitten der weitoffenen Grundmoränen sind sie auflockernde Landschaftselemente und geben diesen ihr charakteristisches Gepräge. Sie tragen dazu bei, dass die Landschaft für Bewohner und Besucher an Attraktivität gewinnt.
Sölle sind durch den § 32 des Brandenburger Naturschutzgesetzes (1992) geschützt. Vordringliches Anliegen für den Schutz und die Pflege sollte es sein, die Funktionalität und die gewachsene und bestehende Vielfalt im jeweiligen Gebiet zu erhalten und den Eintrag von Bodensedimenten und Nährstoffen sowie die damit verbundene Eutrophierung zu minimieren. Das kann z.B. durch Bewahren von genügend großen Saumbereichen zu den landwirtschaftlich genutzten Arealen der Felder erreicht werden. Beachtet werden müssen aber auch die Auswirkungen von Bewirtschaftungsmaßnahmen im gesamten Einzugsbereich der Sölle.
Eine wichtige Zielstellung für den Schutzes und die Pflege der Sölle besteht in der Stabilisierung und Verbesserung der Wasserqualität wasserführender Hohlformen und im Rückhalt des Wassers in den Senken. Unter den zunehmend kontinentalen Klimabedingungen von Ostbrandenburg ist die Erhaltung des Wassers in der Landschaft eine immanent wichtige Forderung. Bestehende, noch funktionsfähige Entwässerungsanlagen sollten deshalb rückgebaut werden.
Literatur: