In Zehdenick befand sich ein wichtiger Flußübergang über die Havel für die Straßenverbindung zwischen dem Land Ruppin undder Uckermark. Auch erlangte die Schifffahrt auf dem Fluß Bedeutung für den Handel. Daraus erklärt sich die Bedeutung derStadt aus strategischer Sicht für alle Herrscher während des Mittelalters. Mehrfach wechselten die Einflußgebiete vonMärkern, Pommern und Mecklenburgern.
Angeblich war ein Hostienfrevel Anlaß zur Klostergründung. 1249 soll eine geschäftstüchtige Wirtin eine in Wachsgedrückte Hostie vor ihrem Bierfaß vergraben haben, um den Bierausschank zu vermehren. Ihr schlechtes Gewissen brachtesie während der Beichte zum Geständnis dieser frevelhaften Tat. Man grub nach der Hostie und fand an dieser Stelleblutrot gefärbte Erde. Die Verfärbung wurde als Blut des leidenden Christus interprediert, das durch die Hostiegequollen sein mußte. An der Fundstelle wurde eine Kapelle errichtet - in Zehdenick erinnert die "Kapellenstraße" daran.Das Wunderblut wurde in einem Behälter in die Kirche getragen und Zehdenick wurde Wallfahrtsort. Diese Sage erzählteder Volksmund oder sie wurde als Legende absichtlich erfunden - wer kann das je beweisen? Ihr liegen in Teilen wahreBegebenheiten zugrunde, die ihre Glaubwürdigkeit bestärkten. Naturforscher wiesen Anfang des 19. Jahrhunderts nach,dass auf säurehaltigen Speisen an feuchten Orten blutrote Flecken entstehen können, verursacht von Bakterien.Auch forderten nach der Reformation 1541 die kurfürstlichen Visitatoren die Äbtissin auf, die Kleinodien des Klosters," sonderlich das gefess, darin das heilige blut sollte sein, damit so lange abgötterei getrieben, "auszuliefern. Für die Bevölkerung war der Wunderglaube von großer Bedeutung. Erhofften sich doch die Kranken Heilung oderLinderung durch Wunder und die Schuldigen Befreiung von Gewissensnot.
Um das Wunderblut -Ereignius in seiner Symbolkraft zu festigen - wurde um 1250 ein Nonnenkloster vermutlich von denMarkgrafen Johann I. und Otto III. von Brandenburg gestiftet, unterstützt vom Bischof. Sie folgten damit dem Rat desFranziskaners Hermann von Langele, Lektor im Grauen Kloster zu Berlin und Beichvater der askanischen Markgrafen. DieKlostergründung bündelte vielfältige Interessen. Den Fetischglauben nutzend, verfolgten die Landesherren strategischeInteressen, der Klerus vertiefte seinen Einfluß und der Territorialadel löste seine Probleme mit der ehrenhaftenUnterbringung seiner unverheirateten Töchter. Es ist die Zeit, in der sich Zehdenick von einem kleineren Ort zur Stadtentwickelte. Die herrschenden Askanier markierten mit der Klostergründung die Stadt als ihr Territorium, nachdem siebereits ein kleine Burg erbauten. 1254 erfolgte die Bestätigung der Existenz des Klosters durch den Papst in Rom.
Um den Bau der Klosteranlagen finanziell zu unterstützen, erließ der Bischof von Brandenburg Ablaßbriefe. So versprach er1255 den Käufern 40 Tage Ablaß von den ihnen auferlegten jährlichen Bußen. Auch der Erzbischof von Magdeburg erließvergleichbare Erlasse zur Unterstützung des Klosterbaus und rief zu Ablaßwallfahrten nach Zehdnick auf. Für "milde Gaben"erließ er den Gläubigen zwei Fastentage der ihnen auferlegten Buße.
Mit der Klostergründung waren keine nennenswertenn Schenkungen von Land oder Privilegien durch den Landesherrn verbunden. Dieerste Ausstattung war gerade ausreichend, um die Existenz des Klosters zu sichern. Es entstand kein geschlossenerBesitzkomplex wie bei anderen Klöstern, wie beispielsweise für das Nonnenkloster in Lindow. Die Nähe der Burg und späterdes Schlosses und seiner adligen Besitzer stand dem entgegen. Das umliegende Land blieb in den Händen der jeweiligenSchloßherren. Erst ab etwa Ende des 13. Jahrhunderts konnten die Nonnen mit eigenen Mitteln schrittweise in der UmgebungBesitz erwerben, auch wenn dieser recht verstreut lag. Aus der Zeit des 14. und 15. Jahrhunderts stammt der größte Zuwachsihres Besitzes. Noch im 15. Jahrhundert, kurz vor der Reformation, erfreute sich das Kloster reicher Zuwendungen,so 1428 von Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg mit Land inSchönebeck und den Dörfern Krewelin und Wesendorf. Bis 1541 besaß das Kloster insgesamt 16 Volldörfer und Teilbesitz inanderen Dörfern. Bekannt ist der Vollbesitz von Klein-Mutz, Lindenberg, Klosterwalde, Nassenheide, Germendorf, GroßSchönebeck, Großmutz, Großwoltersdorf, Gerickendorf und den wüsten Dörfern Beutel und Densow. Vermutlich gehörten ihnenauch die Dörfer Falkenthal, Hindenburg, Hammelspring und Rödelin. Auf ihren Klostergütern wurde Rentengrundherrschaftbetrieben. In 17 Pfarrdörfern der Umgebung übten die Klosterfrauen das Patronat über die Kirchen aus.
Der Territorialadel unterstützte das Kloster der Zisterzienserinnen. Vornehmlich nach dem Erlöschen der askanischenHerrscherlinie übten einflußreiche Adlige aus der Umgegend Schutz aus und unterstützten das Kloster mitZueignungen - so die Grafen von Lindow-Rupin, Otto von Fürstenberg und Lipold von Bredow. 1340 nahm MarkgrafLudwig I., der Ältere als der nunmehr regierende Wittelsbacher die Nonnen unter seine Obhut. 1415 kaufte KurfürstFriedrich I., der erste der Hohenzollern-Dynastie in Brandenburg, Zehdenick von den Pommern zurück. Damit ging dasKloster unter deren Herrschaft. 1438 wurden die Brüder Hans und Jaspar von Arnim mit dem Schloß vom Landesherrnbelehnt und mit der Sorge um das leibliche Wohl der Nonnen beauftragt.
Das Nonnenkloster in Zehdenick lag außerhalb der Stadtmauer, südöstlich der Stadt unweit vom Schloß. Die Nonnen lebten nachden Regeln der Zisterzienser, obwohl sie dem Orden rechtlich nicht angehörten. Sie unterstanden dem Bischof vonBrandenburg, der über sie die Aufsicht ausübte. Waren es 1394 erst nur 17 Nonnen, so lebten 1541 dort 50 Frauen. Damitzählte das Nonnenkloster zu den größten der Region. Die Konventualinnen kamen vorwiegend aus dem Adel der Umgebung, so ausden Familien von Ziethen, von Blumenthal oder von Bredow. Die namentliche Nennung der Äbtisinnen und Priorinnen belegtdies mit Anna von Schlabrendorff, Anna von Eichendorff, Elisabeth von Wuthenau oder Mechthild von Ziethen. Die Pröbstewaren ebenfalls zumeist Adlige, so Paul von Wardenberg, Nikolaus von Badingen, Peter von Ketelhacke, Erasmus von Lochowoder Matthias von Retzow.
Obwohl die Nonnen anfänglich sehr bescheiden lebten und später Raub und Plünderungen ausgesetzt waren, konnten sie ihreKlosteranlage enorm ausbauen. Mit seinen großen Ausmaßen belegte vornehmlich der Ostflügel den wachsenden Reichtum. Auchdie Klosterkirche in ihrer frühgotischen Gestalt war mit 39 m Länge beachtlich. Sie ist leider nicht erhalten. IhreRuinenreste wurden später überbaut. Unter der Südwest-Ecke des Kellers der Klosterscheune wurde bei archäologischen Arbeitenein Kalkbrennofen mit Lehmkuppel und Brennkammer aus Feldsteinen entdeckt, der vermutlich zum Bau der Klosterkirche im13. Jahrundert angelegt wurde. Baumaterial waren Feldsteine aus der näheren Umgebung. Besonders im 14. und 15. Jahrhundertkam es zu einem erstaunlich aufwendigen Ausbau der Klausur mit integrierten Kreuzgangarmen in Mischmauerwerk.Die Hofseiten mit spitzbogigen Kreuzgangöffnungen bestehen aus Backstein.
Die wichtigste Einkommensquelle für den Klosterbau waren vermutlich die Pilger. Die Opferfreudigkeit der Wallfahrer brachteeinen wesentlichen Teil der Klostereinnahmen. Es wurde ein mit drei roten Flecken verziertes Pilgerzeichen in Form einerHostie an die Gläubigen verkauft. Auch die Beherbung der Pilger während ihrer Wallfahrt zur Wunderblutkirche entwickeltesich zu einem recht einträglichen Wirtschaftszweig. Wahrscheinlich diente die sogenannte Klosterscheune als Herberge fürdie Pilger zu den Heilig-Blut-Reliquien. Dafür spricht der Standort - nahe der Kirche, aber nicht direkt neben derKlausur. Auch die aufwendige Gestaltung des Bauwerks und ebenso die Räumlichkeiten sprechen dafür. In der oberen Etagewar möglicherweise der Schlafsaal und im Erdgeschopß der Speise- und Aufenthaltsraum.
Wie in anderen Nonnenklöstern der Region wurde im späteren Mittelalter die strikte E_selfung der Ordensregeln auch inZedenick gelockert. Als die Konvertinnen nach der Reformation darum baten, die Gastung weiter vornehmen zu dürfen, da dieszu ihrem Unterhalt beitrug, wurde dem nicht stattgegeben. Die Visitatoren begründeten dies damit, dass die Klöster gemäßihres Auftrages Hospitäler und Schulen seien, in denen Gottes Wort gepredigt und züchtig und still gelebt werden soll
" und nicht leichtfertigkeit und vollsaufen und aus- und einlaufen oder dgl. getrieben sol werden,wie wir dan die zeit, (da) wir aldo gewesen, etliche trunkene und unbescheidene leute sahen ein- und ausgehen. "
1541 wurde das Kloster in ein adliges Fräuleinstift umgewandelt und exisierte als evangelisches Damenstiftunter der Leitung einer Domina noch lange Zeit weiter - die letzte Domina verstarb 1971. Die Güter des Klosters wurdensäkularisiert und kamen zum kurfürstlichen Amt Zehdenick. Seit 1541 besaß Hofmarschall Adam von Trott zu Badingen undHimmelpfort das Amt pfandweise, seit 1551 als erbliches Lehen auf Lebenszeit.
1638 und 1801 verwüsteten Brände die Klosteranlage. Einige Teile wurden restauriert, andere nach 1650 vom KurfürstFriedrich Wilhelm I. zum Abbruch freigegeben. Die Steine gingen nach Bötzow (Oranienburg) zum Bau des Schlosses. Bei derErrichtung des Dominats im 19. Jahrhundert wurden Teile der Kirchenruine in die Außenwand einbezogen; die ehemaligeOstwand diente hingegen als Innenwand. Heute sind von der Klosteranlage nur noch die Ruine des Konventsgebäudes(13. Jahrhundert), der nördliche Kreuzgangflügel (14. Jahrhundert) und ein Feldsteingebäude (heute "Klosterscheune")sichtbar.
Unter den liturgischen Gegenständen blieb ein prächtiger Kelch aus dem 13. Jahrhundert erhalten. Er befindet sich im DommuseumBrandenburg. Berühmt wurde ein Altartuch um 1295, 164 x 379 cm groß. Da es vermutlich als Altarbehang während derFastenzeit genutzt wurde, ging es als "Hungertuch" in die Kunstgeschichte ein. Es ist eine Leinenstickerei mitFileteinsätzen. Auf 76 Darstellungen werden Szenen aus der Passion Christi, dem Marienleben, Evangelistensymbole,betende Mönche, Fabelwesen, Ornamente und Tiermotive gezeigt. Als Leihgabe wird es heute im Märkischen Museum Berlin verwahrt.
Spezielle Literatur:
© Märkische Eiszeitstraße, M. Klebert, 2009