Prämonstratenserstift Gramzow

Unweit der alten Feldstein-Pfarrkirche von Gramzow mit ihrem imposanten Westturm ist eine Ruine zu entdecken, die den Betrachter sofort fasziniert. Staunend steht man davor!
Es ist ein Rudiment der ehemaligen Prämonstratenserstiftskirche - ein einmaliges Bauwerk mittelalterlicher Architektur.


Ruine des Westbaus der Stiftskirche der
Prämonstratenser Gramzow
Foto: W. Ebert

Auf dem Klosterberg südlich des Haussees gelegen, wurde von Herzog Bogislaw I. von Pommern um 1177 ein Prämonstratenserstift gegründet und auf einer spätslawischen Siedlung erbaut. Als ältestes geistliches Stift in der Uckermark war es das einzige Missionskloster und sollte vornehmlich im südlichen Uckerland wirksam werden. Der pommersche Herzog beabsichtigte mit der Klostergründung eine Festigung seiner politischen Macht nach innen und außen, indem die Bevölkerung in die christianisierte weltliche und geistliche Herrschaftsstruktur eingebunden wurde.
Als Standorte für ihre Tätigkeit bevorzugten die Prämonstratenser zukunftsträchtige Städte oder stadtähnliche Orte. Gramzow war eine solche stadtähnliche Siedlung am Schnittpunkt von Altwegen wie Prenzlau-Schwedt und Suckow-Schmölln. Es lag mitten im slawischen Uckerland. Von hier aus konnte die Missionierung der "heidnischen" Ukranen und die Seelsorge nach ihrer Bekehrung stattfinden.

Die Prämonstratenser waren Chorherren, also keine Mönche. Sie lebten nach den Regeln des Augustinus in strenger, einfacher Lebensweise in praktischer Ausübung des Priesteramtes. Ihr Habit bestand aus einem weißen Gewand und darüber einem blauen Mantel. Gründer dieses Ordens war Norbert von Xanten. 1126 berief ihn Kaiser Lothar zum Erzbischof von Magdeburg. Gründungsort war Prémontré in Frankreich - von daher stammt auch der Name der Prämonstratenser. Hier fanden alle drei Jahre die Generalkapitel des Ordens statt.
Vermutlich kamen die ersten Konventualen in Gramzow aus dem Domkapitel in Ratzeburg und den ordenseigenen Stiften Jerichow und Grobe. Die Chorherren stammten aus dem reichen Adel und besaßen eine hohe Bildung. Beeindruckend vermittelt dies noch heute das Prämonstratenserkloster Teplá bei Marienbad (Marianske Lazne, Tschechische Republik) mit seiner mächtigen romanischen Basilika und seiner etwa 80 000 Bände umfassenden Bibliothek.
Im Unterschied zu anderen mönchischen Einrichtungen waren die Prämonstratenser als Kanoniker direkt mit den kirchlichen Strukturen verbunden. Der Orden hatte sich frühzeitig in Brandenburg niedergelassen, so bereits vor 1150 in Brandenburg a.d. Havel und 1148/50 im Domstift zu Havelberg. Hier begleiteten die Prämonstratenser als Bischöfe wichtige Positionen in der Kirchenstruktur und beeinflussten in beachtlichem Maße die geistige wie weltliche Herrschaft.
Außer gelegentlicher Zeugenschaft, sichtbar auf Urkunden der Landesherren, wirkten die Pröpste von Gramzow hingegen weniger bei weltlichen Entscheidungen mit, dafür mehr in der Kirchenpolitik. Oft dienten sie als Schlichter und Richter bei klerikalen Streitigkeiten, waren in päpstlichen Aufträgen unterwegs oder wirkten als Zeugen der Bischöfe von Kamin. Während des Waldenserprozesses in Stettin 1392-1394 wurden auch Verhöre in Gramzow durchgeführt - so besagen es die Inquisitionsprotokolle. Von den über 450 verhörten Waldensern kamen viele aus dem Gebiet um Prenzlau-Angermünde.

Die Gramzower Chorherren waren für die Pfarr- und Kirchenorganisation in ihrem Gebiet zuständig. Sie besaßen das Patronatsrecht für mehrere Dorfkirchen in der Uckermark, so in Briest, Fredersdorf, Lützlow, Meichow, Melzow, Seelübbe, und Weselitz. Später kam Altlandsberg auf dem Barnim als Patronatskirche hinzu (urkundlich erst seit 1375 belegt). Die erstaunliche Anzahl von Feldsteinkirchen aus dem 13. Jahrhundert im Umfeld von Gramzow zeigt an, dass von den Prämonstratensern die Ausbildung des Pfarrsystems mit dem Kirchenbau im pommerschen Teil der Uckermark befördert wurde. Die von ihnen beauftragte Bauhütte hinterließ sichtbare Zeichen in den querrechteckigen Westtürmen, die an den Havelberger Dom erinnern.

Dorfkirche in Briest
Foto K. Klebert

Diesem Typ gehört die Pfarrkirche in Gramzow an, aber ebenso die Dorfkirche von Lützlow mit ihren zwei Rundfenstern sowie die Kirche in Briest mit ihrem einmaligen Turmabschluss. Im weiteren Umfeld wird der Einfluss der Prämonstratenser an den Kirchen in Hohengüstow, Bietikow, Falkenwalde, Schwaneberg und Neuendorf bei Oderberg sichtbar.

Für Stift Gramzow wird frühzeitig ein beachtlicher Grundbesitz angenommen, der sich aus Schenkungen der Pommernherzöge rekrutierte. Von Anbeginn blieben ihnen die Gramzower Chorherren gewogen, auch wenn sie 1245 die brandenburgischen Markgrafen zu Vögten ihres Stiftes wählten. Dafür bestätigte Markgraf Otto I. dem Stift 1289 alle Besitzungen in den pommerschen Ländern Stettin und Pyritz. Zur Grundherrschaft des Konvents gehörte auch eine Ziegelbrennerei in Gramzow. Städtischen Besitz gab es mit zwei Grundstücken in Prenzlau.
Die Nachrichten belegen eine hohe wirtschaftliche Blütezeit des Stiftes bereits um 1300, zurückzuführen auf den fruchtbaren Boden der Uckermark. Für den Eigenbedarf betrieb man Wirtschaftshöfe am Stift in Gramzow, in Weselitz und Melzow und nutzte die Seen und Wälder. Auch bezogen die Chorherren Dienste und Abgaben von Bewohnern in Gramzow und von ihrem Kern- und Streubesitz. Als 1354 - 1472 die Uckermark wieder zu Pommern kam, setzte erneut von dort die landesherrliche Förderung ein.

Das Prämonstratenserstift in Gramzow war im hohen und späten Mittelalter ein Zentrum von Kultur und Bildung. Die Stiftskirche, dieser einmalige Bau märkischer Architektur, ist anscheinend einer ordenseigenen Bauhütte zu verdanken. Fundstücke an den Ostteilen deuten auf einen Zusammenhang mit der Prämonstratenserkirche auf dem Harlunger Berg bei Brandenburg hin. Sie erlauben eine Datierung um 1250 -1260. Das Langhaus und die Kapelle werden in die Zeit um 1300 und das frühe 14. Jahrhundert datiert. Proben des Sechseckbaus erbrachten einen statistischen Mittelwert um 1310 und um 1320. Diese Westpartien verweisen auf die Stilistik der Choriner Bauhütte der Zisterzienser. Andererseits befindet sich ihre Monumentalität in Gegensatz dazu - hier werden Einflüsse englischer Sakralbauten vermutet.


Tafel an der Ruine des Westbaus
Foto: W. Ebert




Die Stiftskirche brannte im frühen 18. Jahrhundert aus und wurde nach und nach abgebrochen. Als einziger Überrest blieb der Sechseckbau als Rudiment des Westteils erhalten und beeindruckt mit seiner einzigartigen Form und seinen Ausmaßen den Betrachter. Die Technologie des Bauwerkes läßt wichtige Rückschlüsse auf das mittelalterliche Bauen mit Backstein zu. Die Ruine war deshalb mehrfach Gegenstand von Untersuchungen. 1995 -1997 musste die Ruine vor weiterem Verfall gesichert werden. Die Baubetreuung war zugleich Anlass für bauarchäologische Analysen.

Um 1542 wurde das Stift der Prämonstratenser aufgelöst, nachdem Hans von Arnim im Auftrag des Kurfürsten 1536 bereits alle Kleinodien in den uckermärkischen Klöstern inventarisiert hatte. Der Klosterbesitz ging an den Landesherrn über und wurde, vereint mit dem Besitztum des Nonnenklosters Seehausen, in ein staatliches Domänenamt umgewandelt. Dieses Amt Gramzow-Seehausen verpfändete Joachim II. bereits 1543 an Georg von Lindstedt. 1549/50 wurde der Pfandbesitz wieder eingelöst - als Amtmann verwaltete jedoch von Lindstedt den Bestand weiter.1874 gelangte der Besitz an die Kommune.






Spezielle Literatur:

 

© Märkische Eiszeitstraße, M. Klebert, 2009

 

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