Franziskanerkloster Angermünde

Schon das Äußere der Kirche ist erstaunlich und deutet auf eine außergewöhnliche Geschichte des Klosters der Franziskaner von Angermünde hin. Der Name des Ordens geht auf seinen Begründer Franz von Assisi (1181/82 - 1226) zurück. Seine charismatische Persönlichkeit beruhte auf einem Leben in der Nachfolge Christi, in der unerschöpflichen Liebe zu Menschen, Tieren und Pflanzen, ja zur gesamten Schöpfung. Die Bettelmönche, auch "Barfüßer" oder Minoriten (Mindere Brüder) genannt, trugen braune Kutten und waren nur mit einem Strick gegürtet. Sie sahen ihre Berufung im Dienst am Menschen und lebten von Almosen. Ihre Aufgaben in Angermünde bestanden vornehmlich in der Missionsarbeit, der Prediger- und Seelsorgetätigkeit, des Unterrichtes sowie in der Kranken- und Armenpflege.

Klosterkirche der Franziskaner in Angermünde
Foto: H. Domnick

Ihre erste Klosterkirche war ein einschiffiger, flachgedeckter Feldsteinsaal. In ihrer Schlichtheit wäre sie typisch für die überaus bescheidenen Bauten des Franziskanerordens gewesen, ähnlich der Franziskanerkirche in Prenzlau. Der ursprüngliche Bau wird heute noch an der Südwand im unteren Feldsteinteil sichtbar. An der Westseite zeigt ein dreistufiges Portal aus sorgfältig gesetzten Feldsteinen den ehemaligen Zugang zur Klausur.
Tatsächlich gebaut wurde in drei Bauphasen mit mehreren Planänderungen, vermutlich beginnend um 1250 und endend um 1300, der Dachstuhl jedoch später. Noch im 13. Jahrhundert erfolgte offensichtlich ein Umbruch in der Selbstdarstellung des Bettelordens, der sich architektonisch in dem aufgesetzten Backsteinbau zeigt. Nunmehr entstand ein großes gotisches Gebäude mit einer hoch aufragenden Westfassade und einem die Stadt überragenden Dach. Es ist eines der bedeutenden Bauwerke der norddeutschen Backsteingotik, das noch heute den Besucher fasziniert!

Gotischer Giebel der Franziskanerkirche Angermünde,
Foto: H. Domnick

Das architektonische Meisterstück besteht aus einer hohen asymmetrischen zweischiffigen Backsteinhalle, bestehend aus einem polygonal geschlossenem Hauptschiff und einem schmalen Seitenschiff mit Kreuzrippenwölbung in elf Jochen. Leider ist die Einwölbung nicht mehr erhalten. Das Innere der Kirche ähnelt einer gotischen Kathedrale, unterstützt von den hohen Fenstern im Chor und den eng stehenden Säulen. Die Kirche wird durch einen Lettner geteilt - es ist einer der drei im Land Brandenburg noch erhalten. Der Chor blieb den Mönchen vorbehalten und nur der Langhausteil war der Kirchengemeinde zugedacht.


Innenraum der Franziskanerkirche
Angermünde mit Lettner
Foto: W. Ebert
Auffällig ist an der Nordwand das prächtige Hauptportal. Es ist mehrfach profiliert aus verschiedenfarbig glasierten Formsteinen. Besonders an den Einzelformen der Strebepfeiler, an dem Plattenfries mit Weinlaubmuster unter dem Dach des Chores oder an der Ornamentik der Konsolen und Kapitelle ist der Einfluss der Choriner Bauhütte sichtbar.

 

Außergewöhnlich wie der Kirchenbau ist auch die Geschichte des Klosters. Wann es gegründet wurde, ist bis heute ungeklärt. Da Angermünde 1233 Stadtrecht erhielt und sich zu einem feudalen Städtewesen mit Kaufleuten und Handwerkern formierte, liegt vermutlich die Entstehung des Klosters im Zeitraum danach, etwa um 1250. Als Stifter wird Markgraf Johann I. (1231 - 1266) angenommen. Wahrscheinlich erhielten die Mönche aber bereits früher das Niederlassungsrecht am südlichen Stadtrand, nahe der Handelsstraße Berlin - Stettin. Ein Teil der Klostermauer bildete ein Stück der Stadtmauer und wurde von den Mönchen gebaut und instand gehalten - unterlag damit aber auch ihrer Kontrolle für deren Zu- und Ausgang.

Von der Klosteranlage ist heute nichts mehr erhalten. Sie konnte jedoch von Oberregierungsrat Walter Schleyer rekonstruiert werden, der von 1933 bis 1939 umfangreiche archäologische Untersuchungen und Rekonstruktionsmaßnahmen leitete sowie eine umfassende schriftliche Arbeit über das Kloster hinterließ. Beachtenswert ist, dass es zwei Kreuzhöfe gab. Sie bedeuten jedoch keine Trennung von Priestermönchen und Laienmönchen, wie beispielsweise bei den Zisterziensern - bei den Franziskanern waren alle Mönche gleich. Über der Sakristei lag die Klosterbibliothek, das Amarium. Von ihren Büchern sind per Zufall einige wenige Pergamentblättern aus dem 15. Jahrhundert erhalten und liegen derzeit im Heimatmuseum Angermünde. Sie bezeugen die geistige Betätigung der Mönche. Die Fragmente stammen aus vier verschiedenen Buchhandschriften, so auch aus einer "Biblia sacra cum prologis", die im 17. Jahrhundert als Aktendeckel für Magistratsrechnungen benutzt wurden.

Wandmalerei im Franziskanerkloster
Angermünde (15. Jahrhundert), Foto: W. Ebert

Sehenswert sind die farbigen Bemalungen des Kreuzrippengewölbes in der Sakristei sowie die fratzenhaft gemalten Köpfe in den Zwickeln um die Belüftungslöcher im Amarium. Sie dienten im Mittelalter als Abwehrzauber - ähnliche Köpfe sind in der Nordkapelle der Marienkirche von Angermünde zu sehen.

Die Bettelmönche besaßen keinen Grundbesitz außerhalb des Klosters. Ihre Einkünfte kamen vornehmlich aus Entgelten für Messen und Predigten, für Beichte oder Taufe außerhalb des Klosters. 1325 erhielten sie einen Platz für eine Terminei in Eberswalde, 1358 auch in Bärwalde ( Mieszkowice) und in Königsberg/Neumark ( Chojna). Diese Häuser konnten die Mönche auf ihren Bettel- und Pilgerreisen frei nutzen. Zugleich war Angermünde eine wichtige Station auf dem Pilgerweg nach Rom - für die Unterkunft sind erfahrungsgemäß großzügige Spenden geflossen. Ständige Einnahmen dürfte auch die im Klosterbereich gelegene Brauerei gebracht haben.
Die Angermünder Franziskaner erhielten von den Stadtbürgern materielle Unterstützung, jedoch auch vom Adel der Umgebung. Darauf verweisen die Bestattungen im Chorraum Anfang des 16. Jahrhunderts. Hier wurden Angehörige derer von Arnim, von Thümen, von Buch, von Krummensee und von Bredow begraben, deren Familien das Kloster mit Spenden entlohnten.
Offen bleibt, woher die Mittel für den kostspieligen Kirchenumbau kamen, vornehmlich für das hoch aufragende Dach. Dendrochronologische Untersuchungen des Dachstuhls (1992) brachten das überraschende Ergebnis, dass die Dachbalken sehr spät, erst in den 40er Jahren des 15. Jahrhunderts gefällt wurden. Damit ist der Dachstuhl einer der wenigen Erhaltenen aus dem Spätmittelalter. Wer hat ihn finanziert?
Die Legende erzählt, dass die Franziskanermönche die Schlacht von Angermünde des Friedrich I. von Hohenzollern im März 1420 maßgeblich beeinflussten, indem sie einen Vortrupp durch ihren Teil der Stadtmauer einließen. Zwei Tage später konnte der brandenburgische Kurfürst das überlegene Heer der Pommern besiegen. Diese Sage ist bis heute in ihrem Wahrheitsgehalt nicht bewiesen. Vom Haus Oberwall Nr. 37 ist nur der Zugang zum Kloster durch die Stadtmauer noch zu sehen. Schwarze Putzritzzeichnungen an der Südwand des Langhauses der Klosterkirche, die 1934 bei Ausbesserungsarbeiten entdeckt wurden, deuten ebenfalls diese Legende an, sind aber umstritten.

Das Franziskanerkloster war Zentrum der Inquisition. 1336 wurden hier 14 Personen einer Gruppe von "Waldensern" als "Luziferaner" gebrandmarkt und dem markgräflichen Vogt zur Hinrichtung durch Verbrennung übergeben, so Hans Myndecke aus Flieth. Der Prozess soll in Angermünde unter dem Magdeburger Augustiner-Eremiten Jordanus, dem Berliner Franziskanerguardian Nikolaus, dem Probst Vivanz von Seehausen/Uckermark und dem Offizial Dietrich stattgefunden haben. Ausgelöst wurde dieser Prozess, so wird erzählt, durch einen Angermünder Franziskaner.
1392 -1394 fanden in Stettin weitere umfangreiche Inquisitionsverfahren gegen die "Waldenser" statt, bei denen viele Einwohner aus den Dörfern um Angermünde angeklagt wurden. Sie brachten der Stadt im Volksmund den Namen "Ketzer-Angermünde" ein.
1458 wurde der waldensische Wanderprediger Mattheus Hagen in Klein Ziethen festgenommen und dem Feuertod übergeben. Er hatte in deutscher Sprache gepredigt und das Abendmahl in beiderlei Gestalt (also das Brot als Leib Christ und den Wein, als dessen Blut) gereicht. Am 27.,28. und 29. Juni 1458 hatten sich alle Männer, Frauen und Kinder von Klein Ziethen und Kerkow an der Klosterkirche der Franziskaner in Angermünde einzufinden - 28 von ihnen wurden als Ketzer verurteilt. Der Prozess hatte zunächst unter dem Brandenburger Bischof Stephan Bodecker in Berlin begonnen, wurde dann aber in Angermünde unter der Leitung des Frankfurter Professors und Franziskaners Johannes Cannemann und unter Beisitz des Angermünder Guardian Johannes Dannenwolde und Probst Georg Kemnater sowie dem Choriner Abt Tobias fortgesetzt.
Die Reformation beendete das mönchische Leben.1543 wurde das Kloster aufgehoben, behielt aber als Konvent seinen juristischen Status. 1556 verschenkte der Kurfürst Joachim II. die Klosteranlage, ohne die Kirche, an den markgräflichen Kammerjunker Hans Flans. Dieser verkaufte 1557 alle Gebäude einschließlich des Inventars an den Magistrat von Angermünde, der um 1700 und um 1765 die Klostergebäude abtragen ließ - nur die Kirche blieb erhalten. Sie unterlag profaner Nutzung, so als Heumagazin und Lagerraum für militärische und kommunale Zwecke. 1802 wurde ihr Inventar versteigert.

1984 wurden umfangreiche Sicherungsmaßnahmen mit Unterbrechungen begonnen. Nach jahrelanger Sanierung ist die Klosterkirche seit 1997 wieder öffentlich zugänglich.

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Spezielle Literatur:

 

© Märkische Eiszeitstraße, M. Klebert, 2009