Cedynia (Zehden)

- Umgebung stromaufwärts  - Umgebung stromabwärts

Hunderte von Autos queren täglich bei Hohensaaten die Grenze. Die meisten aber fahren nur bis zur nächsten Tankstelle oder bis zu einer anderen Einkaufsmöglichkeit. Das ist ausgesprochen bedauerlich, denn die Landschaft östlich der Oder ist nicht nur sehr vielfältig und interessant. Sie ist auch ausgesprochen geschichtsträchtig und voller kleiner Geheimnisse und Besonderheiten.

Wollen wir deshalb die Zeit nutzen, um in die Geheimnisse von Landschaft und Kultur einzutauchen und uns dieses herrliche Fleckchen Erde zu erschließen. 
                      
Nach Überqueren der Grenzbrücke erreicht man bei Osinow Dolny (Neu Wutzen) polnisches Gebiet.

 




                   Oderbrücke bei Hohenwutzen. Foto S. de Taillez

Hier wurde 1936 eine Zellstofffabrik , die Johannismühle, erbaut. Sie gehörte zum Waldhof-Konzern. Nach 1945 fiel der Betrieb unter die Kriegsreparationen und wurde abgebaut. Heute wird die Ruine nur noch durch den Markt als Einkaufszentum genutzt.




 

             Blick auf die demontierte Fabrik auf polnischerSeite
             Foto: H. Domnick

Blick auf die demontierte Fabrik auf polnischer Seite             Foto: H. Domnick
972 schien für den Piastenfürsten Mieszko die Zeit gekommen, sich von der Vorherrschaft des deutschen Kaisers zu befreien und den wichtigen Zugang zur Ostsee zu erzwingen. Mieszko ritt bei Oderberg zur Oder und sein Bruder Cidebur nahm Stellung nahe dem Ort Zehden. Markgraf Hodo verfolgte Mieszko nach Zehden. Dort wartete dessen Bruder auf ihn und griff ihn von den umliegenden Hügeln an. Die Schlacht wurde zum Gemetzel - nur wenige deutsch-sächsische Truppen entkamen.
So bedeutungsvoll der Sieg auch war, konnte er doch den späteren Verfall des polnische Reiches nicht verhindern.
Nachdem die Stadt Zehden 1945 von der Roten Amee erobert und das Gebiet der Republik Polen zugeordnet wurde, benannte die polnische Administration den Ort in Cedynia um und errichtete ein Denkmal, das an die Schlacht erinnert.
Vom Denkmals aus hat man einen einmaligen Blick auf die Oderniederung bei Zehden.




 
Denkmal der Schlacht bei Cedynia im Jahre 972. Foto W. Ebert
Am Fuße des Denkmalberges befindet sich ein Parkplatz. Nur wenige hundert Meter weiter tauchen plötzlich größere Heidekrautflächen am Nordhang auf. Ursache hierfür sind Reste trockener Sanderflächen, die hier abgelagert wurden. Das Gelände wurde als Naturschutzgesbiet ausgewiesen. Alsbald ist das Ortseingangsschild von Cedynia erreicht. Hier empfiehlt es sich, rechts in einen Seitenweg einzubiegen und zum Aussichtsturm zu fahren. Der Turm ist offen, man sollte aber die notwendige Vorsicht beim Besteigen walten lassen. Der herrrliche Blick auf das Zentrum von Cedynia mit der Kirche lohnt die Mühe.

Cedynia (Zehden) ist eine Kleinstadt im Kreis Gryfiński im Westen der Woiwodschaft Westpommern.
Nur drei Kilometer vom Ostufer der Oder gelegen ist Cedynia die westlichste Stadt Polens. Über eine Oderbrücke mit Grenzübergang gibt es eine Verbindung zur 17 Kilometer entfernten deutschen Stadt Bad Freienwalde. Die nächstgelegene polnische Stadt ist Chojna (Königsberg/Neumark).

Der Aussichtsturm von Zehden. Foto: Norbert Ebert
  Schon 1187 wird eine Burg der pommerschen Herzöge in Zehden in einer Urkunde erwähnt. Somit ist Zehden der älteste Ort der Neumark, der schriftlich erwähnt wurde. Viele Funde aus vorgeschichtlicher Zeit zeigen, dass hier immer Menschen gesiedelt haben. Bot doch das Oderbruch und die angrenzenden Wälder Fisch- und Wildreichtum. Nachdem die askanischen Markgrafen 1214 bei Oderberg, gegenüber von Zehden, eine Burg errichteten und 1242 über die Oder vordrangen, kamen Zehden und die Neumark zu Brandenburg. Die slawischen Bewohner und die hinzugekommenen deutschen Siedler vermischten sich in der Folge und bildeten das Volk der Neumärker. Die Bedeutung als Grenzort ging verloren. Das „castrum“ wird urkundlich 1401 letztmalig erwähnt. Als markgräfliches Oppidum belehnte Albrecht II. 1299 Zehden die Brüder von Jagow mit Zehden.
 

Zehden Ortsbild. Foto N. Ebert

Zehden, vom Ausichtsturm aus gesehen. Foto:. Norman Ebert

Über die nun folgenden Uchtenhagens kam die Stadt um 1356 in Besitz des Klosters. Mehr als 3 Jahrhunderte prägte es die Existenz des Ortes und seiner Umgebung. Nach der Reformation ud Säkularisierung hört das Kloster 1555 auf zu bestehen; die letzten Nonnen verließen es im Jahre 1611. Das Kloster ging in den Staatsbesitz des Kurfürsten über;
1641 baut der Kurfürst den westlichen Flügel des Kosters im Stile eines barocken Jagdschlosses wieder auf.
Ein goßer Brand zerstört 1699 die Klosterkirche. Sie wurde nicht wieder neu errichtet.


Früheres Zisterzienserinnenkloster Zehden.
Foto  W. Ebert
Früheres Zisterzienserinnenkloster Zehden. Foto:W. Ebert

Die Umgebung stromaufwärts

Unmittelbar nach Überschreiten der Grenze, biegt rechts eine Straße ab, die am Strom entlang nach Bärwalde führt. Nach wenigen Kilometern schon erreicht man Kostrzynek (Alt-Cüstrinchen), in dem noch Oderfischer leben. Im Ort stand eine der prächtigsten gotischen Granitquaderkirchen der Neumark. Der aus dem 16. Jahrhundert stammende Turm hatte einen aus Ziegeln gemauertenn Aufsatz mit reichem Blendenzierrat in den Treppengiebeln. Nach ihrer Zerstörung 1945 wurde die Ruine wieder ausgebaut und Dach, Ost- und Westgiebel neu errichtet.
Die Kirche von Alt Cüstrinchen bis 1945. Foto: Kreis Königsberg. Die Kirche von Alt Cüstrinchen vor 1945. Aus: Kreis Königsberg/Neumark. Kirche von Alt Cüstrinchen. Foto. H.-J. MüllderNeuerbaute Kirche von Alt Cüstrichen. Foto H.-J. Müller
Weiter führt uns die idyllische Oderstraße nach Sierkierki (Zäckerick). Über die Brücke fuhr einst die Eisenbahn von Wriezen nach Mohrin über die Oder. Wie überall am Rande des Oderbruchs tobten hier 1945 schwere Kämpfe. Im Bereich von Siekierki (Zäckerick) bis Gozdowice (Güstebiese) kämpften polnische Soldaten auf sowjetischer Seite. Die Oderüberquerung erforderte hohe Verluste. Den Gefallenen zu Ehren wurden eine Reihe von Gedenkstätten errichtet, so der Soldatenfriedhof in Zäckerick, wo auf einem gut gepflegten Friedhof 1000 Gräber sind. Hier befindet sich auch ein Panzerdenkmal mit Museum. Unweit davon befindet sich auch eine neu erbaute Kirche, die als Sanktuarium (Heiligtum) „Muttergottes des Friedens an der Oder“ dem Gedenken gewidmet ist. Erwähnenswert ist schließlich noch in Gozdowice (Güstebiese) ein zu Ehren der Pioniersoldaten der 1. Polnischen Armee errichtetes Denkmal mit Museum.
Heldenfriedhof von Zäckerick. Foto H.J. Müller Heldenfriedhof von Zäckerick. Foto H.J. Müller Das Sanktuarium
Das Sanktuarium "Muttergottes des Friedens ander Oder". Foto H.J. Müller
Seit 2007 besteht in Gozdowice (Güstebiese) ein Grenzübergang per Fähre, deren Betriebsfähigkeit aber sehr von den Wasserverhältnissen abhängt.
Die Fähre bei Hochwasser außer Betieb. Foto W. Ebert
Die Fähre bei Hochwasser in Warteposition bei Gozdowice. Foto W. Ebert
nach oben

Die Umgebung stromabwärts


Nach der Grenze fährt man an den Verkaufsständen vorbei bis zur Ortsmitte von Cedynia. Dort biegt man links ab und fährt am Rande der Oderaue entlang nach Dolny Lubiechòw (Nieder Lübbichow) und dort rechts weiter nach Gòrny Lubiechòw  (Hohen Lübbichow).
Das Gut besaß 1912 insgesamt 2500 ha, davon 1560 ha Wald.

Die Oderaue bei Cedynia. Foto W. Ebert

Die Oderaue bei Cedynia. Foto W. Ebert
Wie zahlreiche Bodenfunde beweisen, ist das Gebiet bereits seit der Jungsteinzeit bewohnt. Erstmals schriftlich erwähnt wurde es 1267. Damals auf drei Rittersitzen geht es später an die Familie von Schöning, die sie  1700 an die Familie von der Marwitz verpfänden mussten. Von Beginn des 19. Jahrhunderts an wechseln dann die Besitzer häufiger.
Das Gutshaus in dDHohenlübbichow. Foto W. Ebert Robert von Keudell war Botschafter und zeitweiliger Sekretär Bismarks. Sein Sohn und Erbe, Walter von Keudell, wirkte 1916-1920 und wieder 1941-1943  als Landrat des Kreises Königsberg und 1927/28 war er Reichsinnenminister. 1933 wurde er auf Veranlassung Görings preußischer Oberlandforstmeister und 1934 Generalforstmeister. 1937 erfolgte seine Ablösung, da seine waldbaulichen Grundsätze nicht den Zielen der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft entsprachen. 
 
Das Gutshaus in Hohen Lübbichow. Foto W. Ebert

Im Gegensatz zu seinen politischen Ambitionen erwarb sich von Keudell große Verdienste als Forstmann und Naturschützer. Als einer der ersten setzte er sich als Verfechter einer kahlschlaglosen Waldumwandlung für eine Erhöhung des Laubholzanteils in den reinen Kiefernbeständen ein. In seinen Gutsforsten setzt er dies praktisch um und erhöhte den Laubholzanteil von 1 % auf 17 %. Hinter dem Gutshaus befindet sich ein grrößerer Landschaftspark mit alten Eichen und anderen Laubbäumen.

Hohen Lübbichow - Ortsmitte. Foto W. Ebert
Hohen Lübbichow - Ortsmitte. Foto W. Ebert Die Kirchenruine von Raduhn. Foto H.J. Müller

Etwa 6 km stromabwärts lag einst das prächtige Schloss Radun (Raduhn) nebst Gut. Vom damaligen Besitzer, der Familie von Freier, wurde 1877 am Berghang mit Blick über das Odertal das eindruckvolle Schloss errichtet.  1935 kommt es in den Besitz derer von Arnim. 1945 wird das Dorf fast vollständig zerstört. Vom Schloss werden sogar später die Steine per Schiff abgefahren. Heute findet man dort, weitgehend rückerobert vom Wald, nur noch Teile des Gutes (heute ein Reiterhof) und die Reste der kleinen Kirche, ein Backsteinbau aus der Zeit um 1700. Nach Raduhn kommt man über Piasek (es lohnt anbetracht des schlechten Weges aber kaum).


Literatur:

Ehmke, F.: Kirchen der Neumark. Verlag Bock & Kübler, Schöneiche b. Berlin, 2008 
Kreis Königsberg/Neumark. Erinnerungen an einen ostbrandenburgischen Landkreis.Herausgeber: Heimatkreis
     Königsberg/Neumark Bearbeitet von H.G.Bluhm, W. Pflug, B. Regenbergund R.H.Tamm. Westkreuz-Verlag GmbH Berlin/Bonn 1997 Autorenkollektiv: Natur Westpommerns. Oficyna in Plus. Szczecin, 2004
Kloster Zehden. Hotel – Restaurant. Faltblatt

 

© Märkische Eiszeitstraße, W. Ebert, 2011

nach oben