Waldstadt Eberswalde

 

Die Stadt führt zurecht den Beinamen Waldstadt, denn sie ist von Wald umgeben. Steigt man von der Altstadt auf die Höhe des Barnim hinauf, befindet man sich in einem großen, zusammenhängenden Waldgebiet. Geht man über den Oder-Havel-Kanal in Richtung Norden nach Chorin, dominiert der Wald. Lediglich die umliegenden Dörfer haben ihre Landwirtschaftsfläche demselben abgerungen. Zum großen Teil handelt es sich heute um forstwirtschaftlich genutzten und gepflanzten Wald. Die Forstbewirtschaftung ist schon alt. Bereits mit der Grenzbriefurkunde von 1300 wurde auch der Stadtwald festgelegt, aber erst gegen Ende des 18. Jh. amtlich vermessen. In den Jahren 1846-1849 erfolgte durch Prof. Schneider eine weitere Vermessung als Grundlage für die Einteilung und Taxation.

Der Waldbesitz war für die Stadt von großer Bedeutung. Die Bürger nutzten ihn für Brenn- und Bauholz und für die Waldmast. Die Stadt stellte ihren Verordneten Deputatholz zur Verfügung, pachtete, soweit es nicht durch den Landesherren in Anspruch genommen wurde, das Jagdrecht und verkaufte nach der Städteordnung von 1809 Holz zur Tilgung der Kriegskontribution und zur Ausrüstung der Landwehr. Seit 1697 ist ein Stadtschütze und Stadtförster bezeugt, der für die Jagd und den Stadtforst zuständig war. Im Jahre 1766 wird die erste Kiefernschonung auf einem Kahlschlag am Brosenberg angelegt. Seit der Gründung der Forstakademie haben auf Bitten der Stadtverwaltung Mitglieder der Lehranstalt den Stadtwald betreut. Im Monat Juli kam es jährlich zur Forstbereisung. Mitglieder der Stadtverwaltung, der Forstdezernent und Sachverständige informierten sich an Ort und Stelle über den Zustand des Waldes, über den Stand der Waldbewirtschaftung und besprachen die notwendigsten Arbeiten und Aufwendungen. An einer schattigen Stelle im Stadtbruch wurde eine Mittagsrast eingelegt, und die erstmals Beteiligten der Reisegesellschaft vereidigt. Zur Bekräftigung mussten sie abschließend auf ein Stück Kiefernborke beißen (Borkebeißen), was sehr zur Erheiterung der übrigen beitrug. An diesem historischen Rastplatz wurden drei Erinnerungssteine für verdiente Heger des Stadtwaldes aufgestellt und zwar für Stadtrat Georg Meyer, Stadtrat Landforstmeister Dr. Danckelmann und Stadtrat Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Dr. Schwappach.

Als sich im 18. Jh. die Forstwissenschaft zu entwickeln begann, waren es zuerst Praktiker, welche ihre Erfahrungen in Büchern veröffentlichten. Die erste höhere Forstlehranstalt entstand in den 60er Jahren in Ilsenburg/Harz.
Durch eine Kabinettsorder König Friedrich Wilhelm III. vom 27.3. 1830 wurde in Eberswalde eine Höhere Forstlehranstalt mit den Richtungen Forst- und Jagdwissenschaft, Naturwissenschaft, Mathematik gegründet. In ihr ist die Nachfolgerin der 1821 in Zusammenhang mit der Berliner Universität gebildeten "Preußischen Forstakademie" zu sehen.


Das Schickler'sche Haus - die spätere Forstakademie,
Forstliche Sammlung Eberswalde

Der Staat kaufte für die Lehranstalt das 1795 errichtete Haus von David Schickler mit den zugehörigen Immobilien für 8509 Rtlr. Im Obergeschoss wohnte der Akademiedirektor Geh. Oberforstrat Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Leopold Pfeil. Mit der Akademie kamen auch 12 Feldjäger nach Eberswalde, welche zuerst in dem Remisen-, Küchen- und Stallgebäude neben dem Schicklerhaus wohnten, 1864 aber in das alte Gebäude in der Breiten Straße 58 umzogen, welches fortan den Namen Kommandohaus erhielt, 1831/32 legte man einen Forstgarten (Pfeilgarten) an und es entstand 1837 eine Kiefernsamendarre.


Pfeils Garten (Aufnahme von 1895)
Aus: R. Schmidt, Eberswalde im Bild, 1928




Als in den 50er und 60er Jahren des 19. Jh. die Diskussion um die Gründung forstlicher Versuchsanstalten aufkam, beteiligte sich 1869 Forstakademie-direktor Bernhard Danckelmann an ihr. Er empfahl für Preußen eine enge Verbindung des forstlichen Versuchswesens mit der Forstakademie in Eberswalde. Der Leiter der preußischen Staatsforstverwaltung und Mitdirektor für Domänen und Forsten beim Finanzministerium, Oberlandforstmeister Otto v. Hagen, griff in einer Denkschrift vom 4.5.1870 diese Vorstellung auf, fügte "Bemerkungen über die Organisation des forstlichen Versuchswesens in Preußen" bei, die sich in den Grundzügen mit Danckelmanns Ideen deckten. In den Staatshaushalt-Etat für 1871 wurden die "Mittel zur Organisation von forstwirtschaftlichen Versuchsstationen" unter "fortdauernde Ausgaben für Forstlehrzwecke" eingeplant. Damit konnte der Aufbau und die Arbeit der Versuchsstationen beginnen. Am Ortsausgang von Eberswalde nach Bernau steht das 1884 errichtete Denkmal mit einer Büste von Oberlandforstmeister Otto von Hagen.

Am 12. April 1871 ernannte der preußische Finanzminister den Akademiedirektor Oberforstmeister Danckelmann zum Leiter der "Hauptstation für das forstliche Versuchswesen in Preußen".
Beide Einrichtungen verdanken demselben ihren bedeutenden Ausbau. Seinem Wirken ist ein weiteres Denkmal gewidmet, welches 1905 in einer Anlage gegenüber dem Akademiegebäude aufgestellt wurde und Danckelmann in einer überlebensgroßen Bronzestatue in Forstmontur darstellt. Seine Grabstätte auf dem Waldfriedhof ist ebenfalls erhalten.

Danckelmanndenkmal
im Botanischen Garten
(1992) / W. Ebert

Im Jahre 1872 wurde in Braunschweig der "Verein forstlicher Versuchsanstalten" gebildet. Neben Preußen gehörten zuerst Baden, Sachsen, Württemberg, Thüringen, Bayern und Hessen dazu. Anhalt, Mecklenburg-Strehlitz und Strehlitz hatten sich der preußischen Hauptstation angeschlossen. Die erste Satzung hatte bis 1925 Gültigkeit, die letzte Vereinstagung fand 1935 statt.
Die Leitung der Vereinsgeschäfte lag bei der Eberswalder Hauptstation und zwar von 1872-1898 bei Dr. B. Danckelmann, von 1899-1925 bei Prof. Dr. Schwappach.
Da der Lehr- und Wissenschaftsbetrieb immer umfangreicher wurde, entstand in den Jahren 1874-76 neben dem Akademiegebäude ein repräsentativer und zweckmäßiger großer Neubau aus rotem Backstein, die Forstfakultät.
Im September 1892 kommt es zur Konstituierung eines internationalen Verbandes, woran Danckelmann und Schwappach ebenfalls führend beteiligt waren.

Im Jahre 1921 wurde die Forstakademie zu einer Forstlichen Hochschule mit Rektoratsverfassung und Promotionsrecht erhoben. Damit verbunden war die Selbständigkeit der Hauptstation ab 1923 als "Preußische Forstliche Versuchsanstalt" bis zu ihrer Umbenennung 1933 in "Preußische Versuchsanstalt für Waldwirtschaft" und ihre Auflösung mit dem 8. Mai 1945. Die Geschichte des forstlichen Versuchswesens ist somit unmittelbar mit Eberswalde verbunden, wie auch die enge und gegenseitig anregende Verbindung von Forstwissenschaft und forstlicher Praxis hier stets gepflegt wurde. Nach dem 2. Weltkrieg galt es, sowohl den Lehrbetrieb als auch die wissenschaftlichen Institute der Versuchsanstalt neu aufzubauen. Die Forstliche Hochschule Eberswalde wurde zur Forstfakultät der Universität Berlin mit Sitz in Eberswalde. Die Kriegsschäden am Gebäude konnten beseitigt werden. Mit der Fakultät verbunden war die Anstalt für das forstliche Versuchswesen, welche alte und neue Abteilungen aufbaute. Die am 11.1.1951 errichtete Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR übernahm 1952 das bisher Forstliche Versuchswesen Eberswalde als Institut für Forstwissenschaften Eberswalde. Dies erhielt bedeutende Förderungen. So wurde 1953 der Grundstein für einen Institutsneubau gelegt. Im Jahre 1963 wurde die Forstfakultät aufgelöst und damit der Lehrbetrieb in Eberswalde beendet. Dies war eine politische Entscheidung, die sich auf das Verhältnis von Grundlagen- und angewandter Forschung auswirkte, aber auch Auswirkungen für die Stadt mit sich brachte.


Institut für Forstwissenschaften
Alfred-Möller-Straße / W. Ebert

Dem Institut für Forstwissenschaften ordnete man 1964 den Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Eberswalde als Bereich Produktion zu. In das nun freigewordene Fakultätsgebäude zog das aus Berlin hierher beorderte "Deutsche Entomologische Institut" mit seinen wertvollen Insektensammlungen und seiner fachlich und kulturhistorisch bedeutsamen Bibliothek ein, welches für Eberswalde wiederum ein Gewinn war. Schwerpunkt der gesamten Forschungstätigkeit des Instituts für Forstwissenschaften war ab 1952 die "Steigerung der forstlichen Produktion", ab 1968 ging man zur "wirtschaftlichen Rechnungsführung" über. Die immer offensichtlicher werdende angespannte ökologische Situation führte 1972 zur Herausbildung eines Forschungsbereiches Landeskultur und Jagd, der sich in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit auf ausgewählte Schwerpunkte der Ökologie, Hydrologie, der Abwasser- und Gülleverwertung, der Flurgestaltung sowie der Schaffung von Erholungswäldern konzentrierte. Es entstanden Vegetationskarten als Grundlage des Landesplanung. Natürlich war das Institut im Rahmen der staatlich erlaubten Möglichkeiten um internationale Kooperation sowie um die Mitarbeit im Internationalen Verband forstlicher Versuchsanstalten (IUFRO) bemüht. Erst nach den mit der Wende 1989 verbundenen Veränderungen fand 1992 eine Jubiläumsveranstaltung dieser Organisation in Eberswalde statt.

Der Naturschutz hat lange Zeit in der Eberswalder Geschichte nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Forst- und Landwirtschaft haben vordergründig die Kultivierung des Bodens und den Schutz der gepflanzten Kulturen gesehen, was nicht immer gleichbedeutend war mit Naturschutzaufgaben. Zwar gab es Naturschutzgebiete, die nach erlassenen Richtlinien erhalten wurden, aber erst in den letzten Jahrzehnten wuchs mit dem Umweltdenken auch die Forderung nach einem umfassenden Schutz. In den 80er Jahren wurden die Landschaftsschutzgebiete "Choriner Endmoränenbogen" und "Schwärzetal" definiert und dazu Landschaftspflegepläne erarbeitet. Heute ist das Biosphärenreservat im Aufbau mit klaren Anforderungen an Natur- und Landschaftsschutz sowie den zu erwartenden Tourismus.

Erstmalig erfolgt in unserem Gebiet ab 1993 die Ausbildung von Studenten an einem Bereich Landschaftspflege und Naturschutz der Fachhochschule Eberswalde.
 

© Märkische Eiszeitstraße, K. Rohlfien, Verein für Heimatkunde Eberswalde, 2004