Die Schorfheide nach 1914

Hermann Göring und die Schorfheide 

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde der "Mythos Schorfheide" besonders entwickelt und gepflegt. Hermann Göring, preußischer Ministerpräsident, Reichsmarschall und Reichsjägermeister errichtete hier nicht nur seine persönliche Residenz, sondern ordnete auch die gesamte Schorfheide seinen Jagdinteressen unter.
Er interessierte sich von Anfang an aus jagdlichen Gründen sehr für die Schorfheide und ließ sich zwischen dem Großen Dölln- und dem Wuckersee bereits 1933 ein Jagdhaus errichten, welches er "Carinhall" nannte. Der Preußische Ministerpräsident nutzte seinen Landsitz zunächst als Wochenend- und Jagdhaus. Eine grundlegende Änderung der Situation trat ein, als Göring 1935 in zweiter Ehe die Schauspielerin Emmy Sonnemann heiratete und seinen Hauptwohnsitz in die Schorfheide verlegte. Carinhall hörte damit auf, sein privates Refugium zu sein und der neu erbaute "Waldhof Carinhall" entwickelte sich nach und nach zum prunkvollen, mit allem erdenklichen Komfort und Luxus ausgestatteten Herrensitz.

Mit der Schorfheide verfolgte Hermann Göring seine ganz persönlichen Pläne. Er wollte sie zu seinem alleinigen Jagdrevier machen. Zur Erreichung seiner Ziele nutzte er die in dieser Zeit stärker aufkommenden Naturschutzbestrebungen aus. Bereits im April 1935 hatte er den Gedanken geäußert, aus der Schorfheide einen Naturpark zu entwickeln, der in seiner Anlage und Gestaltung dem eines Nationalparkes in Amerika entsprechen sollte. Dazu wollte er mit dem Minister für das Reichskabinett ein Rahmengesetz vorlegen. Dies scheiterte jedoch am Widerstand anderer Reichsminister.
1935 setzte Göring, wiederum gegen den Widerstand verschiedener Reichsministerien, die Verabschiedung des 1. Reichsnaturschutzgesetzes durch. Bereits in dessen Vorbereitung hegte er den Plan, einen zusätzlichen Paragraphen zur Gründung eines gesonderten "Naturschutzparkes Schorfheide" im Gesetz aufzunehmen. Er ließ aber diesen Gedanken später fallen und wählte als Preußischer Ministerpräsident den leichteren Weg über die Preußische Gesetzgebung. Mit der Veröffentlichung des Gesetzes vom 29.Januar 1936 wurde für die Schorfheide mit Wirkung vom 1. April 1936 eine rechtskräftige Stiftung mit Sitz in Berlin errichtet. Ihr wurde nach § 3 dieses Gesetzes das Nutzungsrecht an allen in Eigentum des Preußischen Staates befindlichen Grundstücken der Forstämter Alt Placht, Grimnitz, Groß Schönebeck, Himmelpfort, Pechteich, Reiersdorf und Zehdenick eingeräumt. Damit geht die Stiftung wesentlich über das alte Naturschutzgebiet hinaus und zwar um die außerhalb des Wildgatters liegenden Teile des Forstamtes Zehdenick sowie um die kompletten Forstämter Alt Placht und Himmelpfort.

Leiter der Stiftung war der preußische Landesforstmeister, also Göring selbst. Der Sitz der Verwaltung der Stiftung war anfangs Potsdam. Am 1. Juli 1936 wurde er nach Joachimsthal verlegt und 1938 zog die Stiftung in das neuerbaute Verwaltungsgebäude in Groß Schönebeck.









Ehem. Verwaltungsgebäude der Stiftung Schorfheide in Groß Schönebeck / W. Ebert

 

Mit der Verordnung des Reichsforstmeisters und Reichsjägermeisters vom 24. Dezember 1936 wurden die der Stiftung Schorfheide überlassenen Flächen zum "Reichsnaturschutzgebiet" erklärt. Die Verordnung fußt auf dem Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 und dessen Durchführungsverordnung vom 31. Oktober 1935. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Gesetz der § 18, der be_selfet, dass Grundflächen, die von einem Reichsnaturschutzgebiet umschlossen oder daran angrenzen, enteignet werden können, wenn dies für die Zwecke des Naturschutzes erforderlich ist. Dieser Paragraph wurde in der Folgezeit auch in Anwendung gebracht, vor allem als Druckmittel gegen nicht verkaufswillige Grundeigentümer benutzt.

1937 wurden die Feldmarken des zur Stiftung Schorfheide gehörenden Reichsnaturschutzgebietes mit einem 200 km langen Zaun eingefriedet.
Göring war über die gesamten Jahre seiner Herrschaft bestrebt, die Stiftung Schorfheide trotz ihrer beachtlichen Ausdehnung (1937 52 000 ha) ständig zu erweitern und abzurunden. So kaufte das Land Preußen die Rittergüter Ahlimbswalde, Willmine, Neu Temmen, Hohenwalde, Götschendorf, Vietmannsdorf und Gollin sowie die Forstgüter Leistenhaus, Sarnow und Großendorf auf und ließ u. a. das der Familie v. Wedel gehörende Gut Parlow enteignen.
Langfristig plante Göring die Aus- und Umsiedlung kleinerer Dörfer aus der Schorfheide und Neuansiedlung in größeren Gemeinden. Vorgesehen waren dafür die Dörfer Kappe, Kurtschlag, Grunewald, Groß Dölln, Groß Väter, Bebersee und Schluft. Auch die Ringenwalder Einwohner sollten nach dem "Endsieg" im eroberten Ostgebiet eine neue Heimat finden.
Zu einer Umsiedlung ist es aber in keinem Fall gekommen. Vermutlich hat Göring aufgrund des Kriegsausbruches von seinem Umsiedlungsprogramm Abstand genommen, da er bei der Bevölkerung mit heftigem Widerstand hätte rechnen müssen.

Am 14. Juni 1934 wurde am Südwestende des Werbellinsees in den Jagen 112/113 ein Wisent-Schaugehege eröffnet. Zu den 6 bis 8 reinblütigen Kühen wurde ein Stier aus der Arnimschen Zucht in Boitzenburg gebracht. Der Stamm hat sich gut vermehrt.








Rekonstruiertes Denkmal des Wisent-Schaugeheges
in Eichhorst / W. Ebert

Im Schaugehege verblieben 15 Exemplare. Ein benachbartes, 600 ha großes Zuchtgehege diente der Vermehrung der Wisente durch Verdrängungszucht. Reinblütige Wisentstiere lebten hier mit aus Kanada importierten Bisonkühen und deren weiblichen Kreuzungsstücken. Die männlichen Kreuzungsstücke wurden nach 1-2 Jahren in ein 650 ha großes Jagdgehege in den Revierförsterbezirken Pechteich und Eichhorst gebracht und dort für Göring persönlich oder hohe in- und ausländische Gäste zum Abschuss zur Verfügung gestellt. Das Jagdgehege soll später auf 1.200 ha erweitert worden sein und bis Marienwerder gereicht haben.
Wisente in der Heide freizulassen, war zwar ein Traum Görings, wurde aber nie realisiert. 1945 waren auf 1.310 ha 96 Wisente vorhanden. Der gesamte Wisentbestand wurde von Göring selbst, z.T. auch auf seine Weisung durch Forstbeamte, vor dem Einrücken der sowjetischen Truppen, abgeschossen. Es gab auch Versuche, Wildpferde in der Schorfheide heimisch werden zu lassen. Die Berichte hierüber sind aber nicht nur unvollständig, sondern oft auch widersprüchlich, obgleich die Berichterstatter im unmittelbaren Umfeld lebten.
Es war wieder der experimentierfreudige Zoodirektor Prof. Heck, der sich mit einer Rückkreuzung des Waldwildpferdes beschäftigte. Die Ausgangsbasis der zur Zucht genutzten Pferde war der Bestand des Herzogs von Croy bei Dülmen in Westfalen. Die Pferde des Herzogs waren zwar nach Hängemähne und Stirnlocke zu urteilen, schon echte Hauspferde; manche von ihnen erinnerten aber noch sehr an das Wildpferd (mausgraues Fell mit schwarzer Beinschäftung, Aalstrich, Aufhellung der Mundpartie). Diese Tiere wurden in der Schorfheide mit Przewalski-Pferden gekreuzt. Um die Zucht zu verbreitern brachte man noch Island-Ponys und polnische Panjepferde (Koniks) ein. Eine Jagd ist auf die Pferde niemals ausgeübt worden. Diese Rolle war ihnen wohl auch nur in Görings Vorstellungen zugedacht. Einige Pferde hätten sich - jetzt außerhalb des Gatters - noch über das Kriegsende hinweg bis 1946/47 vereinzelt gehalten und wären sehr heimlich geworden. Die letzten Stücke wurden dann aber doch in der Nähe von Groß Schönebeck von Angehörigen der Roten Armee abgeschossen.
Wiedereinbürgerungsversuche von Wisent, Elch und Wildpferd sowie Rückkreuzungsversuche beim Auerochsen sollten ebenso wie die Betonung germanischen Jagdbrauchtums den Mythos der Schorfheide besonders hervorheben.

© Märkische Eiszeitstraße, W. Ebert, 2004