Architektur der Steinzeit - Großsteingräber

Während die Mehrzahl der archäologischen Fundplätze wie Siedlungen, Flachgräber und Produktionsstätten obertägig nicht sichtbar ist, erschließt die Märkische Eiszeitstraße ein Gebiet, in dem die Großsteingräber der Jungsteinzeit als eindrucksvolle obertägige Bodendenkmale zum Teil sogar das Landschaftsbild bestimmen. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts waren im Bereich der heutigen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg etwa 1300 Großsteingräber und jungsteinzeitliche Steinkisten nachweisbar. Der ursprüngliche Bestand wird in diesen beiden Ländern auf 2 000 bis 2 200 Anlagen geschätzt. 1976 waren in den Listen der staatlich geschützten Bodendenkmale nur noch 452 Großsteingräber erfasst (Sprockhoff 1926; E. Schuldt 1976; R. Schulz 1989/90).

"Hünengräber"

In der Volkssage werden die Großsteingräber häufig mit dem Teufel oder mit Riesen, auch "Hünen" genannt, in Verbindung gebracht. Die in Norddeutschland geläufigen Bezeichnungen "Hünengräber" oder "Riesensteingräber" zeugen davon. Verfolgt man die Äußerungen in der Gelehrtenwelt über die geheimnisvollen "Steingerüste", so wird man Einblicke in den Stand und die Entwicklung natur- und geisteswissenschaftlicher Erkenntnis im Mittelalter und in den Zeiten des Humanismus gewinnen. Ende des 17. und im 18. Jahrhundert im Zeitalter der Aufklärung begann sich die moderne Geschichtswissenschaft zu entwickeln und als eine ihrer Disziplinen in ersten Anfängen auch die Archäologie.

Gelehrsamkeit und Volkssage

Anfangs waren die Vorstellungen der Gelehrtenwelt von denen der Volkssage gar nicht weit entfernt. Bereits Ende des 12. Jahrhunderts äußerte der dänische Chronist Saxo Grammaticus, die Großsteingräber seien von Riesen erbaut worden. Im 15./16. Jahrhundert, dem Zeitalter der großen geographischen Entdeckungen und Gründung zahlreicher Universitäten , befasste man sich eingehender mit der Landes- und Ortsgeschichte. Die archäologischen Denkmäler wurden, teils in ein obskures Geschichtsbild eingeordnet, teils als Kuriositäten betrachtet. Der pommersche Chronist Thomas Kantzow schrieb 1542 über die Großsteingräber: "Wenn einer gestorben war, so machten sie ihm ein herrliches Grab ... sechs große Steine wurden in einen Ring wie ein Sarg in die Erde gesetzt und drei - die allergrößten - darüber gelegt." Er verwundert sich über die Größe der Steine. "In solch einem Grabe haben sie den Toten begraben und haben ihm allerwege etwas mitgegeben, wozu er im Leben die größte Lust hatte. War er ein Reiter, so haben sie ihm den Harnisch in die Grube gelegt. War er aber ein Trinker, so haben sie ihm ein Fass Bier mit eingegraben." (R. Schulz 1983).

© Märkische Eiszeitstraße, R. Schulz, G. Lutze, 2003