Es gab und gibt noch vielfältige Versuche, Wildpferde wieder auszuwildern. Auch in der Schorfheide wurden hierzu Versuche angestellt. Die Berichte daüber sind aber nicht nur unvollständig, sondern oft auch widersprüchlich, obgleich die Berichterstatter im unmittelbaren Umfeld lebten.
Es war der experimentierfreudige Zoodirektor Prof. Heck, der sich mit einer Rückkreuzung des Waldwildpferdes beschäftigte. Die Ausgangsbasis der zur Zucht genutzten Pferde war der Bestand des Herzogs von Croy bei Dülmen in Westfalen. Die Pferde des Herzogs, die in einem 800 Morgen großen Gatter das ganze Jahr im Freien lebten und nur im Winter zusätzlich etwas gefüttert wurden, waren zwar nach Hängemähne und Stirnlocke zu urteilen, schon echte Hauspferde; manche von ihnen erinnerten aber noch sehr an das Wildpferd (mausgraues Fell mit schwarzer Beinschäftung, Aalstrich, Aufhellung der Mundpartie). In der Merfeldter Wildbahn bei Dülmen lebten früher die Pferde wie Hirsch und Reh frei. Erst zwischen 1840 bis 1850 wurden sie gegattert. Es leuchtet ein, dass sich dieser Bestand, den der Mensch weniger tief durch gezielte Züchtung veränderte, mehr Kennzeichen eines Wildpferdes erhielt (Niethammer, 1963). Diese Tiere wurden in der Schorfheide mit Przewalskipferden gekreuzt. Um die Zucht zu verbreitern brachte man noch Island-Ponys und polnische Panjepferde (Koniks) ein (Bormeister, 1997).
Revierförster Albrecht, der das Revier Eichhorst bewirtschaftete, in dem sich auch das Wisentgehege befand, berichtete, dass 1934 zwei Hengste und 2 Stuten aus Dülmen, 4 Stuten aus dem Berliner Zoo und zwei Stuten von der Insel Madera im Wisentschaugehege untergebracht worden seien. Über die Rassenzugehörigkeit der nicht von Dülmen stammenden Tiere werden keine Angaben gemacht. Der Bestand soll am 1.2.1943 aus einem Zuchthengst, sieben Zuchtstuten, zwei 2jährigen Jungstuten und drei Stutenfohlen, also insgesamt 14 Stück, bestanden haben. Die Wildpferde hätten sich nie im Wisentzuchtgehege (wie von Coninx/Buchholz angegeben) befunden; nur einmal seien sie für ein halbes Jahr in freier Wildbahn gewesen. Da sie dort aber Hufschlag bekamen, wurden sie ins Gatter zurückversetzt (Bormeister, 1997).
Konik im Wildpark Schorfheide.
Foto: W. Ebert |
Buchholz u. Coninx (letzter war von 1936 bis Kriegsende Leiter des dem Wildgehege benachbarten Forstamtes Reiersdorf bzw. Schorfheide) hingegen schreiben in ihrem 1969 veröffentlichten Buch über die Schorfheide, dass 1937 einige Dülmener Pferde in das Wisentzuchtgehege eingesetzt wurden, denen Anfang des Krieges noch einige verwilderte polnische Panjepferde beigegeben wurden. Zu Beginn der 40er Jahre seien aus Zoologischen Gärten vier reinrassige Przewalskihengste hinzugekommen. Die bis dahin bei der Herde stehenden Hengste waren vorher entfernt worden.
Die Pferde wurden im Gehege schnell heimisch und vermehrten sich gut. Die einjährigen Hengstfohlen fing man ein und verkaufte sie an Forstbeamte und Waldarbeiter, die die zähen und anspruchslosen Pferdchen gern nahmen. Bis Kriegsende war die Herde auf 16 Stück angewachsen. Eine Jagd ist auf die Pferde niemals ausgeübt worden. Diese Rolle war ihnen wohl auch nur in Görings Vorstellungen zugedacht. Einige Pferde hätten sich - jetzt außerhalb des Gatters - noch über das Kriegsende hinweg bis 1946/47 vereinzelt gehalten und wären sehr heimlich geworden. Die letzten Stück wurden dann aber doch in der Nähe von Groß Schönebeck von Angehörigen der Roten Armee abgeschossen.
Anfang der 90er Jahre war das aus Nachkommen der Hagenbeckschen Wildfänge gezüchtete Przewalskipferd seit zehn Generationen in menschlicher Obhut; die Population lag weltweit bei 600. Heute leben in den Zoos und Semireservaten in aller Welt etwa 1500 Exemplare. Die 1990 gebildete internationale Arbeitsgruppe "Global Management Plan Working Group" entsandte im Jahre 1993 eine Forschergruppe in die Mongolei, um eine Grundlagenstudie für die Wiedereinbürgerung des Przewalskipferdes in das ursprüngliche Habitat zu erstellen. Anstelle der Wüste fanden die Forscher oasenreiche Bergtäler vor, eine fruchtbare Landschaft mit artenreicher Flora und genügend Pflanzenwuchs, um größere Wildpopulationen zu ernähren. Obgleich nur sehr wenige Nomaden in diesem Gebiet siedeln, sind die Oasen und wertvollen Weideflächen inzwischen von Tausenden Kamelen, Schafen, Ziegen; Yaks und Hauspferden besetzt, die vornehmlich vom Militär gehalten werden. Da insbesondere durch die Vielzahl freilebender Ponys eine Bastardierung der Przewalskipferde mehr als wahrscheinlich wäre und damit der Artcharakter verloren ginge, kam die Forschergruppe zu der einhelligen Meinung, dass zur Zeit kein Platz für Przewalskipferde in ihrem ursprünglichen Lebensraum wäre. In der angrenzenden Volksrepublik China, wurde, wie in einem Film gezeigt, ein großes Reservat ausgewiesen und unter Naturschutz gestellt. Hier sollen die Wildpferde etappenweise, das heißt in verschiedenen Gattern mit immer naturnäheren Bedingungen, auf ihre Freilassung vorbereitet werden.
Inzwischen gibt es auch aus der Mongolei Berichte und Filme über eine erfolgreiche Ansiedlung des Wildpferdes.
Im Jahre 1992 erschienen immer wieder Berichte über das "deutschlandweit einmalige Experiment" in der Schorfheide, Przewalskipferde in einem Semireservat auf ihre Wiedereinbürgerung vorzubereiten. Es kam 1992 eine aus 10 Stuten bestehende Gruppe aus den Zoologischen Gärten Köln, München/Hellabrunn und Nürnberg nach Liebenthal, nordwestlich von Groß Schönebeck. Da zur Zeit eine umfangreichere Wiedereinbürgerung in der Mongolei nicht sinnvoll ist, sind auch die Semireservate keine "Trainingslager" für eine spätere Freilassung mehr, sondern Flächen zur Unterbringung von Stutenherden, gewissermaßen als Außenstellen der Zoos, zur Populationsregulierung, da die Haltungskapaziäten der Zoos erschöpft sind. Diese Gebiete können auch für Besucher einen hohen Erholungswert besitzen. Aus Artenschutz wird eine touristische Attraktion.
1996 kamen die in Liebenthal verbliebenen Przewalskipferde (6 waren nach Groß Schönebeck umgesiedelt worden) in den Besitz eines Liebenthaler Landwirtes. Der neue Besitzer des inzwischen hier entstandenen Haustierparks erwarb 1996 eine Pferdeherde von 87 Tieren, die er fälschlicherweise als "Tarpanherde" firmierte. Bei diesen heute als Liebenthaler Pferde bezeichneten Tieren handelt es sich um keine Wildpferde und auch um keinen Rückzüchtungsversuch, sondern um eine zoologisch wertlose Kreuzung von Fjordpferden und Koniks (polnische Panjepferde) unter "harten Selektionbedingungen" (Wolle 1998). Einen gewissen Schauwert wäre dieser Pferdeherde nicht abzusprechen, wenn sie nicht auf einem ausgesprochen ungeeigneten Gelände ständen (anmoorige Wiese in einer sensiblen Niederungslandschaft).
1996 wurde begonnen, den "Wildpark Schorfheide", welcher am nördlichen Rand der Gemeinde Groß Schönebeck in einer für die Schorfheide typischen Wald- und Wiesenlandschaft liegt, aufzubauen. Er ist inzwischen zu einem ausgesprochenen Anziehungspunkt für Touristen geworden. In ihm liegt auch ein großes Gatter, in dem heute eine Herde von 13 Przewalskipferden, davon 3 Fohlen, steht. Hier kann man die unter optimalen Bedingungen lebenden Wildpferde gut beobachten.
� Märkische Eiszeitstraße, W. Ebert, 2003