Unweit von Berlin, an der B 158, befindet sich in Werneuchen ein prächtiges Stadtschloss im Neostil der französischen Renaissance.
Ursprünglich gehörte das Gelände der Hugenottenfamilie Petitjean, die hier eine Bauernwirtschaft zugewiesen bekam. Die günstige Lage an der Strasse Berlin - Freienwalde bewog sie zur Einrichtung einer Poststelle. Auf diesem Grundstück entstand 1913 das Schloss. Es wurde von dem Berliner Industriellen Robert Stock für seine älteste Tochter Frieda Maria Luisa finanziert. Den Bau leitete sein Schwiegersohn Hans Müller, ein Landwirt aus Mehrow. Nach der Enteignung 1945 wurde das Schloss als Schule und für Wohnungen genutzt. Als Anfang der siebziger Jahre die Schule auszog, erhielten auch die Hausbewohner neue Quartiere. Danach stand das Schloss leer und verfiel.
In den letzten Jahren wurde mit der Sanierung des Schlosses begonnen, um es in altem Glanz zu präsentieren. Zugleich wird damit an Robert Stock erinnert. Seine imposante Lebensge- schichte verkörpert ein wichtiges Stück deutscher Industriegeschichte. Sein außergewöhnlicher Unternehmergeist be- flügelte ihn zur Gründung mehrerer Unternehmen in Berlin um die Jahrhun- dertwende, die teilweise noch heute existieren.
Robert Stock, geboren 1858 in Hagenow, Mecklenburg-Vorpommern, begann seinen Aufstieg nach beendeter Schlosserlehre und Wanderschaft in verschiedenen Firmen der Telegraphenbranche in Berlin. Auf einem Hinterhof in Kreuzberg gründete er sein erstes kleines Unternehmen Es war die Zeit um 1880 als in Deutschland die ersten Telefonnetze entstanden und sich die Teilnehmerzahl rasant entwickelte. Während die mächtigen Konkurrenten noch jedes Teil aus einem Messingklotz feilten, stellte Robert Stock diese Teile extrem billig aus gestanzten Blechen her.
Robert Stock
1858-1912
1887 errichtete er die "R. Stock Telegraphenbauanstalt", die 1905 zur "Deutschen Telephonwerke GmbH" (heute DeTeWe AG & Co. KG in Berlin-Pankow und Berlin-Kreuzberg) avancierte. Seine nächste 1889 ins Leben gerufene Firma "R. Stock & Co." hatte bereits über 6oo Beschäftigte und entwickelte sich zum führenden Unternehmen der Telegraphenherstellung in Deutschland. Spätestens 1895, als ihm etwa die Hälfte des gesamten Auftragsvolumens der Telegraphen-Sparte der Reichspost zufloss, verspotteten ihn die Konkurrenten mit seinem "Blechkram" nicht mehr.
Da die benötigten Werkzeuge aus Amerika teuer importiert werden mussten, entwickelte er eine eigene Werkzeugfabrik, um beispielsweise Spiralbohrer in großen Mengen selbst zu fertigen. Auch diese Fabrik existiert noch heute in Berlin als "R. Stock AG". Mit der raschen Erweiterung der Telefon-Branche wuchs der Bedarf an Leitungen und Kabeln enorm an. Zur Schließung dieser Marktlücke begründete er die "R. Stock`schen Kabelwerke AG. Oberschöneweide".
Auf dem Höhepunkt seiner Erfolge, für seine Mitmenschen völlig unverständlich, veräußerte er 1899 alle Firmenanteile und kaufte aus den Erlösen mehrere Güter, so auch in Mehrow und Werneuchen. Sein Wohnsitz blieb jedoch die "Villa Stock" in Berlin-Treptow (nahe S-Bahnhof). Sein Forscherdrang blieb jedoch ungebrochen.
1906 entwickelte er einen Motorpflug für die Landwirtschaft, der in einer eigens dafür gebauten Fabrik in Berlin-Johannisthal gebaut wurde und sich bis in die zwanziger Jahre als Verkaufs- und Exportschlager erwies. Nach dem 1. Weltkrieg konstruierte er ein Motorrad mit Kardanwelle als Antrieb. Es wurde bei der "Stock Motorpflug G.m.b. H." und später bei der "Heidelberger Schnellpresse" produziert, was Robert Stock jedoch nicht mehr erlebte. Sein rastloses Schaffen bezahlte er mit einem frühen Tod am 13. Juni 1912.
Quellen:
• 675 Jahre Mehrow. Druckerei Print-Dienste, Blumberg 2002 (Festschrift)
• Dobbermann, G.: Ein berühmter Gast. In: Märkischer Sonntag v. 14. Okt. 2001
• Internet: www.werneuchen.de
© Märkische Eiszeitstraße, M. Klebert, 2003