Schloss Prötzel
Auf den ersten Blick gleicht derzeit Schloss Prötzel mit seinen zahlreichen Schussnarben eher einem Mahnmal des 2. Weltkrieges als einem Kulturdenkmal märkischer Schlossbautradition. Erst bei genauerer Betrachtung erschließt sich die außergewöhnliche architektonische Komposition der barocken Anlage, welche die Besonderheiten der Landschaft in ihre Konzeption einschließt. Der Grundriss des langgestreckten Gebäudes und seine exponierte Lage auf einer Terrasse, eingebunden in eine zum See hin abfallende Gartenanlage, lassen die ehemalige Pracht und Schönheit des einstigen adligen Landsitzes erahnen. Trotz mehrfacher Umbauten stimmen die Proportionsverhältnisse weitgehend mit dem ursprünglichen Baukörper überein.
Zugleich findet sich hier ein klassisches Beispiel für die starke Macht des Adels innerhalb der absolutistischen Gesellschaft, die sich im Abglanz des königlichen Hofes repräsentierte.Bauherr war der Oberhofmeister Paul Anton von Kameke. Er erhielt um 1700 das Gut vonKurfürst Friedrich Wilhelm III. als Lehen zugesprochen, das vorher den Adelsfamilien von Platow und von Pfuel gehörte und sich die von Schlieben widerrechtlich angeeignet hatten. Erst sieben Jahre danach konnte er es nach einem Exmissionsprozeß gegen von Schlieben in Besitz nehmen.
Paul Anton von Kameke ist Sinnbild der "Bilderbuchkarriere" eines Höflings. 1674 in Hinterpommern als Sohn alten Adels geboren, war er ein Günstling Friedrich Wilhelm III. Bereits mit 16 Jahren wurde er unter die Edelknaben des Kurfürsten aufgenommen und späterhin mit hohen Ehrenämtern protegiert. 1696 avancierte er zum Befehlshaber einer Kompanie der kurfürstlichen Leibgarde und 1700 zum Kammerjunker. Als solcher wohnte er der prachtvollen Schau der Königskrönung 1701 in Königsberg bei und stieg 1704 zum Kammerherrn des ersten Königs von Preußen auf. Kurz darauf wurde er königlicher Generaladjutant und schließlich 1709 Obrist. Auf dem Gipfel seiner Karriere zeichnete ihn der König 1712 mit dem eigens für ihn geschaffenen Ehrentitel "grand maitre de la maison royale" (Oberhofmeister) aus. Seine höfische Karriere endete 1713 abrupt mit dem Tod Friedrich I. Ihn traf das Schicksal aller Günstlinge - nach dem Tod ihres Gönners fielen sie in Ungnade. Unter dem spartanischen "Soldatenkönig" musste er in der preußischen Infanterie als Generalmajor dienen und führte 1716 ein Regiment gegen die Schweden. Nach schwerer Krankheit verstarb er 1717 im pommerschen Strachmin.
1712, also auf dem Höhepunkt seiner Karriere, gab er den barocken Schlossbau für Prötzel in Auftrag. Vergleichende Forschung lässt darauf schließen, dass vermutlich die Ideen von Andreas Schlüter (1660 - 1714) Pate gestanden haben. Dem Ruf des Zaren Peters des Großen folgend, geht dieser nach Sankt Petersburg. Entwickelte er für Schloss Prötzel bereits das verkleinerte gedankliche Modell für die grandiose Anlage von Schloss Peterhof?Der Bau in Prötzel dauerte bis Ende der 20er Jahre des 18. Jahrhunderts an. Der ausführende Baumeister ist bis heute unbekannt.
Einer der Erben, Graf Alexander Friedrich von Kameke, verkaufte 1801 das Schloss nebst Gutswirtschaft sowie weitere große Ländereien im Oberbarnim und im Oderbruch an den Kaufmann Ernst Jakob Eckardstein. Dieser reiche Heereslieferant und Glas- und Spiegelfabrikant
legte in der Mark Brandenburg sein riesiges Vermögen in Immobilien und Grundbesitz an. König Friedrich Wilhelm III. bestärkte ihn darin und verlieh ihm 1799 die Freiherrenwürde.
1869 ließ Ernst Carl Christoph Freiherr von Eckardstein Schloss Prötzel in klassizistischer Manier verändern. Seine Nachkommen bauten es 1924 nochmals in Neobarock um.
Die Familie von Eckardstein nimmt in der Geschichte der preußischen Landwirtschaft einen rühmlichen Platz ein. Auf ihren Gütern in Prötzel und Reichenow fanden neue agrarwissenschaftliche Erkenntnisse praktische Anwendung. Die Einführung moderner betriebswirtschaftlicher Methoden ermöglichte die Entwicklung rentabler landwirtschaftlicher Großbetriebe. Bis 1945 entwickelten sie sich zu einer der größten Junkerherrschaften des Oberbarnim.
Die 1946 erlassene Ausführungsverord- nung zur Bodenreform bewirkte, dass das Schloss 1949 der zentralen Verwaltung der MAS (Maschinenausleihstation) übergeben wurde. Vorübergehend war es auch Kulturhaus der MAS. Anfang der 50er Jahre wurde die Gemeinde Prötzel neuer Rechtsträger. Sie baute das Schloss zum Gemeindesaal um. Danach waren darin eine Schule, ein Kindergarten, Sporträume, Gemeinderäu- me, ein Friseur und eine Gaststätte untergebracht.Leider befindet sich das Schloss derzeit in einem erbärmlichen Zustand und es bedarf einiger Fantasie, um seine einstige Schönheit zu entdecken. Die günstige Verkehrslage lässt hoffen, dass sich in absehbarer Zeit ein kunstsinniger Investor um seine Rekonstruktion bemüht.
Quellen:
Riedel, Nicola: Prötzel. 2. überarbeitete Auflage. H. Heenemann.
Berlin 1997 ( Reihe "Schlösser und Gärten der Mark")
© Märkische Eiszeitstraße, M. Klebert, 2003