Schloss Börnicke


Schloss Börnicke / W. Ebert

Börnicke ist seit kurzem ein Ortsteil der Stadt Bernau bei Berlin. Sein Schloss befindet sich in einem desolaten Zustand. Ein Erhalt ist jedoch dringend angezeigt. Einerseits zeugt es vom erfolgreichen Bemühen deutscher Architekten um die Kreation eines eigenständigen Baustils, wie er von Bruno Paul und anderen Münchner Künstlern mit dem "Jugendstil" um die Jahrhundertwende begonnen wurde. Andererseits widerspiegelt die Schloss- geschichte einige wichtige Facetten deutscher Geschichte, so vornehmlich die der berühmten jüdischen Familie Mendelssohn Bartholdy, aber auch der jüngsten Vergangenheit.


Schloss Börnicke - Fassade der Südseite
Joseph Popp um 1916

Börnicke ist, wie viele andere Gemeinden des Barnim, während der Ostkolonisation im 13. Jahrhundert als Angerdorf ange- legt worden. Aus den markgräflichen Lehenregistern von 1412 bis 1424 gehen Gerike und Otto von Arnim auf Biesenthal als Lehnsherrn über Börnicke hervor. Nennenswert ist auch der Oberst der kurmärkischen Leibgarde und Komman- dant von Berlin Wolmar von Wrangel, der nach dem Dreißigjährigen Krieg 1679 das völlig wüste Dorf nebst Gut übernahm und es 1685 an seinen Schwiegersohn, den Kurfürstlichen Oberkammerjunker und Domprobst zu Cammin, Georg Christoph von Wachholtz, vererbte.
Der Landesökonomierat Albrecht Philipp Thaer, Sohn des Begründers der deut- schen Landwirtschaftswissenschaften Albrecht Daniel Thaer, nahm 1838 das Rittergut Börnicke in Erpacht und experimentierte hier nach väterlichem Beispiel moderne landwirtschaftliche Methoden.

1892 wurde der Berliner Kommerzienrat und Generalkonsul Ernst Mendelssohn Bar- tholdy (1846 - 1909) Herr auf Börnicke. Er übertrug das Gut bereits zu Lebzeiten 1904 an seinen Sohn Paul (1875 - 1935), der als Bauherr des neuen Schlosses gilt.
Die Bankier-Familie Mendelssohn Bartholdy war um die Jahrhundertwende eine der reichsten und renommiertesten in Berlin. Zu ihrer weitverzweigten Ahnenreihe gehören solche Berühmtheiten wie der Philosoph und Thoraschreiber Moses Men- delsohn (1729 - 1786) - Germanisten behaupten, er sei das Vorbild für Lessings "Nathan" gewesen - und der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 - 1874).
Ernst und später Paul von Mendelssohn Bartholdy waren Teilhaber des Bankhauses "Mendelssohn & Co." in Berlin. Über dieses traditionelle jüdische Bankhaus liefen beträchtliche finanzielle Transaktionen Preußens mit dem Ausland. Der Vater Ernst wurde 1896 für seine Verdienste von Kaiser Wilhelm II. in den erblichen Adelsstand erhoben. Wie der Vater trug auch der Sohn neben dem Adelstitel die Ehrenanrede "Königlicher Preußischer Wirklicher Geheimer Rath" und "Dänischer Generalkonsul". Er galt in Fachkreisen als der größte jüdische Bankier in Berlin. Sein früher Tod 1935, also mit erst 60 Jahren, ist bis heute ungeklärt. Aktenkundig belegt ist die 1938 durch die Nazis erzwungene Liquidation des Bankhauses.


Schloss Börnicke - Blick am See
Joseph Popp um 1916

Mit dem Bau des Schosses Börnicke be- auftragte Paul von Mendelssohn Bar- tholdy den im Kunstgewerbe bekannt gewordenen Bruno Paul (1874 - 1968). Dieser besuchte ab 1894 die Kunstaka- demie in München und wurde führende Kraft in den "Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk", die den Jugendstil kreierten. Auf der Dresdner Internatio- nalen Kunstgewerbeausstellung 1906 entdeckte ihn Wilhelm von Bode, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, und berief ihn 1907 zum Direktor und Professor der Kunstgewer- beschule in Berlin. Als Baumeister wurde Bruno Paul erst später wirksam. Er avancierte rasch zum bevorzugten Architekten für das vornehme Wohnhaus und verstand es, die gesteigerten Ansprüche auch der Reichsten zu befriedigen. Seine Architektur ist der bewusste Ausdruck eines starken Selbstwertgefühls des Großbürgertums, das stille Vornehmheit, Gediegenheit und Eleganz bevorzugte. Diese neuartige Wohnkultur lebte durch künstlerisch gestaltete Zweckmäßigkeit, gepaart mit Behaglichkeit. Sie ist frei von sinnlosem Prunk und modernistischen Absonderlichkeiten.

Diesem Anliegen folgte Bruno Paul beim Neubau des Schlosses Börnicke, der etwa 1908/09 unter seiner Aufsicht entstand. Ursprünglich befand sich hier ein alter Herrensitz mitten in einem prachtvollen Park aus der nachklassizistischen Zeit. Das Gebäude wurde abgetragen, und nur der alte Wasserturm wurde in den Neubau integriert. Die Gestaltung des Geländes erfolgte dahingehend, dass die Plattform in weiten Terrassen zu einer großen Rasenfläche abfällt. Paul versuchte, von der umgebenden Natur möglichst viel in das Gebäude hineinzunehmen. Neben anderen von ihm gestalteten Bauwerken war ihm das Schloss wohl besonders wichtig - er nannte es liebevoll "Schloss in der Mark".

Der massive Gesamtbau wirkt durch Geschlossenheit und Strenge. Die Fassaden gestaltete er mit gleichmäßigen, tiefgezogenen französischen Fenstern und die Brüstungs- und Balkongeländer in feiner gradliniger Arbeit. Bei der Innenraum- gestaltung verband er Zweckmäßiges mit Kostbarem zu eigenartiger Schönheit.
Der vorhandene Park wurde in seiner idyllischen Anlage und Geschlossenheit weitgehend belassen.

Während der Nazizeit und während des 2. Weltkrieges verwaltete die verwitwete und erneut verehelichte Gräfin Kesselstatt (ehemals zweite Ehefrau von Paul Mendelssohn Bartholdy) Schloss und Gut Börnicke und nahm ausgebombte Mitglieder der Schweizer Botschaft auf. Sie verließ Börnicke im Frühjahr 1945.


Im Gedenken an die Bartholdys

Im April gleichen Jahres wurde im Schloss ein Lazarett der sowjetischen Truppen eingerichtet. Im Januar 1946 wurde Gräfin Kesselstadt enteignet. Das Schloss und ein Teil des Gutes gingen in das Eigentum der KPD und später der SED über. Die entsprechende Eintragung ins Grundbuch als "Fundament GmbH" (Rechtsträger von Parteigentum der SED) erfolgte 1946. Als Erholungsheim "1. Mai" bot das Schloss den Mitarbeitern des Zentralsekretariats der KPD und später der SED die Möglichkeit auszuspannen. Unter den Gästen befanden sich auch aus den Konzentrationslagern Befreite bzw. von den Nazis verfolgte Emigranten. Zugleich fanden hier auch wichtige Konferenzen statt, so gemäß vorliegender Protokolle im Januar 1947 mit den Minister- und Landtagspräsidenten unter der Leitung von Wilhelm Pieck, dem späteren ersten Präsidenten der DDR und Otto Grotewohl, dem ersten Ministerpräsidenten. In den Jahren ab 1951 wurde das Gebäude als Schulungsheim der SED genutzt. 1953 ging das Objekt - im Austausch mit anderen - an die sowjetische Kontrollkommission über. Nach Abzug ihres Stabs war das Schloss nach 1964 herrenlos. Es stand 3 Jahre leer und unterlag Plünderungen.

Ab 1967 beherbergte das Schloss für 25 Jahre eine Schule mit Internat für körperbehinderte Kinder. In dieser Zeit wurden hier etwa 600 Kinder fachgerecht und liebevoll betreut. Sie fanden überwiegend bereits im Vorschulalter Aufnahme und besuchten bis 1980 die aufsteigenden Klassen zumeist bis zur 8. Klasse bzw. verließen teilweise mit dem 10. Klassenabschluss die Einrichtung.

Nach der Wende wurde die Schule 1992 aufgelöst. Danach nutzte ein Bauunter- nehmer das Schloss als Lager. Ansprüche der Erben der Alteigentümer erfuhren 1996 vom brandenburgischen Landesamt für offene Vermögensfragen (LAROV) eine Ablehnung. 1999 wurde das erneute Rückgabebegehren der Erbengemeinschaft per Gerichtsurteil endgültig abgewiesen.


Gutshof Börnicke / W. Ebert

Seit 1996 steht das denkmalgeschützte Gebäude leer und verliert rasch an bauli- chem Wert, obwohl mit ABM-Projekten einiges für die Erhaltung der Bausubstanz getan wurde. Mehrere vorgelegte Nutzungskonzepte erwiesen sich als nicht prak- tikabel.

Im Frühjahr 2003 gründete sich der Förderverein "Schloss und Gutshof Börnicke". Er strebt eine gemeinnützige Nutzung der Anlage an, die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist.
Derzeit werden weitere werterhaltende Maßnahmen im Schloss durchgeführt. Projektträger ist die "Schloß Börnicke Grundstücksbeteiligungs gGmbH". Eine endgültige Entscheidung über die Nutzung des Objektes steht noch aus.

Quellen:
• Popp, Joseph: Bruno Paul. Mit 319 Abbildungen von Häusern und Wohnungen. München (1916)
• Börnicker Geschichten aus sieben Jahrhunderten. Hrsg. von Bärbel Schindler-Saefkow
   und Claus Engelmann. Börnicke 2000
• www.Schloss-boernicke.de

© Märkische Eiszeitstraße, M. Klebert, 2003