Angermünde wurde von den askanischen Markgrafen Johann I. und Otto III. um die Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet, nachdem sie den Pommernherzögen 1232 den südlichen Teil der Uckermark abringen konnten. Die Gabelung wichtiger Handelsstraßen nach Prenzlau und Schwedt war wohl wichtigster Anlass zur Städtegründung. Das regelmäßige Straßennetz mit einer Stadtkirche auf der höchsten Geländestelle zeugt von einer planmäßig angelegten Stadt. In deren Gründungszeit fällt die frühe Anlage eines Franziskanerklosters am südlichen Stadtrand, eine der bedeutendsten märkischen Bettelordenskirchen. 1336 wurde in der Nähe des Berliner Tores die Heiliggeistkapelle gegründet, dem Hospital zugehörig. Sie wurde im 14./15. Jahrhundert spätgotisch erneuert.
Die Stadtherrschaft wechselte öfter. Brandenburg, Pommern und Mecklenburg stritten um die Uckermark. Im Mittelalter wird eine Burg als Zentrum einer Vogtei oder eines landesherrlichen Amtes bezeugt. Von den Markgrafen Brandenburgs wurde sie, oft zusammen mit der Stadt, wiederholt an Adlige verpfändet, so an die von Arnim, von Sparr von Pfuel oder die von Uchtenhagen.1354 ging die Stadt erneut in den Besitz Herzog Barnim III. von Pommern über. Mit der Schlacht Friedrich I. von Hohenzollern 1420 bei Angermünde wurde die Stadt jedoch endgültig brandenburgisch.
Trotz aller Wechsel konnte sich die Stadt entwickeln - sie trotzte jedem neuen Herrscher Privilegien ab. Nach der Reformation erwarb der Magistrat das Patronatsrecht. Erst der Dreißigjährige Krieg brachte Verfall mit sich. Die Stadt litt unter mehrfachen Belagerungen der Kaiserlichen und der Schweden.
Die Stadtkirche St. Marien setzt noch heute den vorherrschenden Akzent im Stadtbild. Ihr kommt in der Architekturgeschichte eine besondere Bedeutung zu: sie gehört zu den wenigen Stadtkirchen der Mark Brandenburg, die ihre Substanz aus der Gründungszeit Mitte des 13. Jahrhunderts fast vollständig erhalten haben. Der gewaltige Bau wurde aus zugerichteten Feldsteinen errichtet. St. Marien ist somit auch ein einmaliges Denkmal der letzten Eiszeit, die in ihrem Geschiebe diese Steine aus Skandinavien mitbrachte. Die sorgfältig behauenen Granitquader, die noch heute das Langhaus bis in die Höhe der Dachtraufe und den Westturm bis unterhalb des Glockengeschosses ausmachen, sind beeindruckend. Die Exaktheit des Mauerverbandes lässt auf die Kenntnis neuester Bautechniken im Hausteingebiet schließen. Das Auffallendste ist der querrechteckige Turm, der wie ein Bergfried die Stadt überragt. Der untere Teil dieses Westbaus stellt einen massiven, fast völlig geschlossenen Baukörper dar, der nur durch schartenartige Schlitze und dem spitzbogigen Westportal unterbrochen wird. Er wurde späterhin um ein Glockengeschoss aus Backstein erhöht und an den Schmalseiten mit spätgotischen Blendengiebeln verziert. Ein solcher Turm war auch in anderen Städten als Zeichen markgräflicher Landnahme und Stadtherrschaft der Askanier üblich, selten aber ist er so eindrucksvoll erhalten wie in Angermünde. Er ähnelt dem Burgen- und Wehrbau dieser Zeit.
Vermutlich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde das Innere spätgotisch eingewölbt, also in einer Zeit, als die Selbständigkeit vieler märkischer Städte unter der Herrschaft der Hohenzollern zu schwinden begann. Es war ein gewaltiger Umbau! Aus der ehemals frühgotischen Saalkirche entstand eine dreischiffige gewölbte Hallenkirche von fünf Jochen im Langhaus und von drei Jochen im zweischiffigen Umgangschor. Dieser wurde in Backstein mit breiten Fensteröffnungen angebaut und schließt mit einem unregelmäßigen Polygon. 1470 erfolgte der Bau der spätmittelalterlichen kreuzrippengewölbten Eingangshalle mit Blendengiebel an der Nordseite, heute Marienkapelle genannt.
Im Inneren der mäßig hohen, aber weiträumigen Halle fallen zunächst die achteckigen dicken Pfeiler ins Auge, die im Mittelschiff die Sternbaldachine der Einwölbung tragen und in den Seitenschiffen die Kreuzgewölbe. Auf der Rückseite des Triumphbogens zeugt eine Schrift von der Vollendung 1520 durch Baumeister K. Höppener.Auffällig ist die Farbigkeit der Gewölbe. Sie wurde nach der originalen Farbgebung des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts gestaltet und entspricht der spätmittelalterlichen Gewölbefarbigkeit: ein strahlendes Rot wird von weißen Fugenstrichen unterteilt, die Rippen der Sterne im Scheitel sind schwarz.
Frappierend ist die Buntheit in den Seitenschiffen: hier sind die Rippen in sich wechselnden Farben zerlegt und haben schwarze Parallelstriche.
Während der Restaurierung 1977/78 sind Reste figürlicher Decken- und Wandmalereien, vermutlich Anfang 16. Jahrhundert, entdeckt worden: im Chor der Erzengel Michael und die Symbole der Evangelisten, eine Kreuzigungsgruppe und der heilige Cyricellus, der einen gebändigten Drachen an der Leine führt. In den Seitenschiffen und in der Marienkapelle sind drollige Masken und derbe Gestalten um die Lüftungslöcher in den Gewölbezwickeln zu entdecken.
Bis 1867 waren in der Angermünder Kirche die üblichen nachreformatorischen Emporen vorhanden. Sie wurden bei einer einheitlichen neogotischen Neueinrichtung beseitigt. Die Ornamentfenster des Jugendstils im Chor stammen aus dem Jahre 1909.
St. Marien lädt ein zur Erkundung wertvoller mittelalterlicher Ausstattung. Ein bronzenes Taufbecken mit geritzten Bildern ist wohl das älteste Stück. Die Tracht der Trägerfiguren macht eine Entstehung im späten 14. Jh. wahrscheinlich. Als Gießer wird ein Meister Johannes benannt. Sehenswert ist eine riesige alte Einbaumtruhe, mit drei Schlössern gesichert, die für die Verwahrung wertvoller Güter gedacht war. Der Sage nach soll in ihr das Lösegeld gesammelt worden sein, mit dem Markgraf Otto IV. aus Gefangenschaft freigekauft wurde.
1601 stifteten die Bürger der Stadt Angermünde einen neuen Altar. Von dieser herrlichen Renaissance-Arbeit sind Teile in der Marienkapelle ausgestellt, andere Teile wurden 1877 in das Stadtmuseum Berlin verbracht. Der Chronist Johann Christoph Beckmann und der Kirchenchronist Lösener haben ihn beschrieben als eine 5 Meter breite und über 7 Meter hohe mehrgeschossige Altarwand mit fast vollplastischen geschnitzten Reliefs. Erhalten ist die gerahmte frühere Predella - rechts das Abendmahl und links vermutlich die Verklärung Christi. Darüber steht die ungerahmte mehrfigurige Kreuzigung.
Als Einzelfigur wurde über der Tür zum Langhaus der "Gute Hirte" aufgestellt. Nach Beckmann stand diese Einzelfigur im 2. Geschoss des Altars.
Vermutlich aus gleicher Werkstatt stammt die Marienfigur. Sie war aber nicht im Altar integriert. Möglicherweise missfiel sie dem städtischen Auftraggeber wegen ihres weiten Dekolletés und dem extravagant anmutenden hochgekämmten mit einer Blüte geschmückten im Haar.
Der heutige Hauptaltar besitzt eine von Rathgeber gefertigte Kopie des Gemäldes der Auferweckung des Lazarus von Peter Paul Rubens (1618/20). Da das Original im Krieg verlustig ging, erlangte diese gute Kopie besonderen Wert.
Die Barockorgel auf der Westempore gehört zum bedeutendsten Erbe der Orgelbaukunst. Sie wurde auf Anordnung des Königs Friedrich II. 1744 von Joachim Wagner (1690 - 1749), dem berühmten Orgelbauer der Marienkirche in Berlin und Nestor der Orgelbaukunst in der Mark, gebaut. 1964 und 1976 von der Orgelbaufirma Schuke restauriert, ist sie noch heute durch ihr barockes Spielkolorit weltweit bekannt. Der geschnitzte Orgelprospekt wird auf 1773 datiert und stammt vermutlich von dem Berliner Bildhauer Johann Georg Glume oder seinem Sohn Friedrich Christian Glume.
Quellen:
• Ancke, Gundula: Der Renaissancealtar von St. Marien.
Angermünder Heimatkalender 2004
• Badstübner, Ernst: Stadtkirche St. Marien Angermünde.
Deutscher Kunstverlag.München, Berlin 1. Aufl. 1998
• Die Kunstdenkmäler des Kreises Angermünde.
Heft 1. Druck und Kommissionsverlag der Vossischen Buchhandlung. Berlin 1934
© Märkische Eiszeitstraße, M. Klebert, 2006