Wilhelminische Epoche bis zu Beginn der Weimarer Republik

In der Zeit der wilhelminischen Epoche bis zu Beginn der Weimarer Republik finden sich literarische Vertreter, deren weitere Lebenswege extrem unterschiedliche geistige Positionen reflektieren. Land und Leute der Region haben ihr Schaffen mehr oder weniger geprägt.

Ernst von Wildenbruch (1845 - 1909), ein Enkel Prinz Louis Ferdinands von Preußen, arbeitete 1911/12 als Richter in Eberswalde. Seine historischen Dramen mit preußisch-nationaler Tendenz waren zeitweilig sehr populär,so "Die Karolinger", "Die Quitzows" oder "Väter und Söhne". Die pathetische Behandlung der Stoffe und eine zuweilen schwülstige Sprache ließen jedoch seine Werke als Zeiterscheinung in Vergessenheit geraten.

Grabmaldes Dietrich von Quitzow in der Kirche von Rühstädt

Heinrich Lautensack (1881 - 1919) war Dramatiker, Lyriker, Erzähler, Übersetzer und Filmautor. Bekannt wurde er vor allem mit "Frank Wedekinds Grablegung" und "Leben, Taten und Meinungen des sehr berühmten russischen Detektivs Maximow..." . Heinrich Lautensack ist in Eberswalde verstorben.

Otto Reutter (1870 - 1930), in Lychen aufgewachsen, wo sein Vater am Markt einen Kramladen betrieb, erfreute sich als Vortragskünstler großer Popularität.Seine spöttischen Couplets schrieb er selbst und trug sie in Varietes und Kabaretts vor. 1910 erschien seine Sammlung "Originalcouplets und Vorträge".

Albrecht Schaeffer (1885 - 1950) war Lyriker und Romancier. Er arbeitete 1911/12 als Redaktionsvolontär in Eberswalde. In dieser Zeit erschienen seine Gedichte "Amara. Wandel der Liebe". Danach lebte er als freischaffender Schriftsteller, reiste viel und wechselte öfter den Wohnsitz.. SeineBildungsromane "Helianth. Bilder aus dem Leben zweier Menschen ..."(1920) und "Rudolf Erzerum oder das Leben der Einfachheit" (1946) fanden wenig Verbreitung. Sie legen jedoch Zeugnis ab über die Hilflosigkeit einer idealisierenden bürgerlich-humanistischen Gesinnung in der Zeit des Faschismus. Hervorzuheben sind die dichterischen Übertragungen der "Odyssee"(1927) und der "Ilias"(1929) von Homer. 1939 reiste er in die USA aus.Er kehrte 1950 nach Deutschland zurück und verstarb im gleichen Jahr in München.

 

Einen extrem anderen Weg ging Berta Lask ( 1878 -1967). Sie war die Tochter eines jüdischen Fabrikanten in Falkenberg (Mark)und genoss eine bürgerlich-humanistische Erziehung. In ihrem autobiographischen Roman "Irren und Suchen" finden sich Kapitel über die Landschaft dieses Landstriches. Durch den 1. Weltkrieg erschüttert, schloss sie sich 1923 der KPD an und wurde Mitarbeiterin der Zeitung "Rote Fahne". Sie gehörte zu den Mitbegründern des "Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller". Einige ihrer Veröffentlichungen, die teilweise auch in französischer und russischer Sprache erschienen, wurden bereits in der Weimarer Republik verboten, so ihre Dramen "Thomas Müntzer" und "Leuna 1921". 1933 wird sie verhaftet und emigriert danach in die Sowjetunion. Ab 1958 arbeitete sie als freie Schriftstellerin in Berlin.
Inden Jahren 1914 - 1923 lebten in Eberswalde Pfarrer HeinrichWolfgang Seidel (1876 - 1945) und seine Frau Ina Seidel (1885- 1974) - beide Schriftsteller, die sich ihrem christlichen Humanismus verpflichtet sahen. Hier wurde auch ihr Sohn Georg Seidel geboren.
Bildnis derIna Seidel in ihrem letzten Jahrzehnt (Illustration: U. Postler)

Besonders Ina Seidel geriet mit Beginn des 1. Weltkrieges in Gewissenskonflikt: der Mensch als größte Schöpfung Gottes und das sinnlose Morden während des Krieges - konnte das Gottgewollt sein? Aus dieser Zeit stammen vor allem Gedichte in neoromantischem Stil, aber auch Vorarbeiten zu Romanen. Ihre große Vaterlandsliebe, gepaart mit politischem Desinteresse, verführten sie in späteren Jahren, wo sie bereits mit ihrem Manne in München und am Starnberger See lebte, zu Huldigungen Hitlers. Mit Beginn des 2.Weltkrieges bereute sie diese Position. Sie litt deshalb unter starken Schuldgefühlen. In der jungen Bundesrepublik Deutschland waren ihre Bücher in den Nachkriegsjahren sehr beliebt, so "Lennacker. Das Buchder Heimkehrer" oder "Michaela".

Der Sohn,Georg Seidel (1919 - 1992) wurde unter dem Pseudonym Simon Glasbzw. Christian Ferber als Romanautor und Publizist bekannt. 1979 erschien in Stuttgart sein Buch "Die Seidels - Geschichte einer bürgerlichen Familie".


Die "BrandenburgerHymne": "Märkische Heide, märkischer Sand"(Illustration: U. Postler)

Heute alsBrandenburger Hymne bekannt, verfasste 1923 Gustav Büchsenschütz sein Lied "Märkische Heide märkischer Sand" für die Wandervogelbewegung. Dem Komponist Paul Linke gefiel die Melodie sogut, dass er sie als Marsch arrangierte. Von der SA missbraucht und danach schon fast vergessen, wurde dieses Lied nach der Wende zur Hymne des Landes Brandenburg und ist Ausdruck der Identität seiner Bewohner.

 

 

Im Stile der Bänkellieder entstand 1923 das allseits bekannte und noch heute als Scherzlied gerne gesungene Lied "Hochzeit bei Zickenschulze aus Bernau", dessen Verfasser unbekannt ist: "Kinnerkins, seid bloß nicht dumm, looft nicht lange ledig rum! Heiraten ist manchmal schön, ick hab`s neilich erst geseh`n Zickenschulze aus Bernau, nahm sich schon die vierte Frau..."


"Zickenschulze"(Foto vom Hussuitenfest in Bernau)
Danach werden alle Begebenheiten des Festes in deftiger Sprache geschildert und am Schluss wird die Hoffnung geäußert, dass sich Zickenschulze bald wiederscheiden lässt, damit es wieder ein so schönes Hochzeitsfest gibt.