Das Wassermännchen  

Eines abends kam ein kleines, graues Männchen zu einem Bauern in Althüttendorf und bat um eine Nachtherberge. Der Bauer, der sehr arm war und daher keinen überflüssigen Vorrat an Betten hatte, bot seinem Gast die Ofenbank oder den Heuschober an. Allein, das Männchen erbat sich einen kühlen Platz am Wasser. "Meinethalben!" sagte der Bauer, "magst du im Brunnentrog oder Weiher schlafen, wenn dir damit gedient ist!" Das Männchen ließ sich dies nicht zweimal sagen, sondern grub sich sogleich zwischen den Binsen, die am Ufer standen, ein, als ob es Heu wäre, sich darin zuwärmen. Früh am anderen Morgen kroch es aus seinem Nachtlager hervor, und zum Erstaunen des Bauern waren seine Kleider ganz trocken geblieben. Das Männchen, das den verdutzten Ausdruck auf dem Gesicht seines Gastfreundes wohl gewahrte, kam seiner Frage mit den in gleichmütigem Ton gesprochenen Worten zuvor: "Es ist wohl möglich, lieber Freund, daß du meinesgleichen noch nicht gesehen hast und auch nicht wiedersehen wirst, weil hundert und aber hundert Jahre vergehen können, bis einer von meinem Geschlecht eine Nacht auf der Erde zubringen darf!" Hierauf gerieten sie in ein längeres Gespräch, in dessen Verlauf der rätselhafte Fremde seinem Wirtoffenbarte, daß er ein Wassermännchen sei, dem sein Weib verloren gegangen.Nun wolle er es im Grimnitzsee suchen, weshalb er sehr recht bitte, ihm den Weg dahin zu zeigen. Der Bauer machte sich mit seinem seltsamen Gast unverzüglich auf den Weg und im Gehen erzählte das Männchen viele gar wundersame Sachen, daß es nämlich schon lange sein Weib in vielen Seen suche, doch bisher nie gefunden habe, und wie es in diesen Seen aussehe und beschaffen sei. Inzwischen hatten sie das Ufer des Grimnitzsees erreicht. Mit Dank nahm nun das Männchen Abschied von dem Bauern. Dabei bat es ihn, bis zu seiner Wiederkunft zu warten. Wenn er aber nicht wiederkäme, wolle es ihm ein Zeichen geben. Nach einer halben Stunde ist dann der Stab, den das Männchen in der Hand getragen, mitten im See zum Vorschein gekommen und etliche Fuß hoch in die Luft gesprungen, worauf der Bauer dies für das verheißene Zeichen genommen und nachdenklich nach Hause gegangen ist.

Quelle:"Sagen und Geschichten aus dem Bezirk Frankfurt/Oder; Herausgeber: Frankfurt-Information,bearbeitet von Joachim Winkler