Der sagenumsponnene Wandlitzsee

Es ist noch nicht allzulange her, daß der Wandlitzsee einer der schönsten Seen in der Umgebung Berlins war. Einsam lag er rings vom Walde umgeben. Selten fand ein Wanderer den Weg zu ihm. Es ist jetzt anders. Wandlitz ist der Ausflugsort der Wochenendfahrer geworden, wie es vor ihm vielleicht der Wannsee war. In Scharen kommen sie mit Autos und Motorrädern. Wochenendhäuser und Siedlungsbauten entstehen an seinem Rande. Das frühere kleine Dörfchen schallt wieder von den Tanz- und Unterhaltungsmusiken der Lokale. Der Heimatfreund flüchtet aus solchem Hochbetrieb und nur bei "schlechtem"oder kaltem Wetter ist es hier schön. Dunkle Wolken ziehen am Himmel, ein kalter Wind bläst dahin und schaurig-dunkel liegt der "grundlose" Wandlitz. An solchen Tagen kann man es verstehen, daß das Volk in früheren Zeiten einen Kranz von Sagen um diesen See gesponnen hat. Der Sage nachsoll einst in Wandlitz ein Heiligtum der Göttin Wanda gestanden haben. Es war ein bedeutendes Heiligtum und weither sollen die Pilger gewandert sein. Anstelle der heiligen drei Pfühle sollen einst ein Dorf und ein Kloster gestanden haben. Einst ging hier ein Mädchen baden. Am Ufersah sie drei Glocken stehen. Auf die eine legte sie ihr Brusttuch. Nach einiger Zeit hörte das Mädchen, wie sich die drei Glocken aufforderten, wieder in den See hinabzugehen. Die jedoch, auf die sie ihr Brusttuchgelegt hatte, antwortete traurig, daß sie nicht könne. Darauf schwebten die beiden anderen in den See und verschwanden mit leisem Klang. Als dann ein Fuhrwerk aus Wandlitz kam, wollten die Leute die Glocke auf den Wagen laden, bekamen sie jedoch nicht von der Stelle. Da nahm das Mädchen das Brusttuch wieder an sich, und in dem Augenblick erhob sich die Glocke und verschwand ebenfalls mit frohem Geläut in dem See. Noch heute können Sonntagskinder in bestimmten Nächten das Geläut der Glocken im See hören. die gleiche Sage wird von dem Wandlitzsee erzählt, und man weiß nicht mehr recht, in welchem See die Glocken ruhen, denn lange ist es her, daß ein Sonntagskind in einer der bestimmten Nächte hier am See war.

Quelle:A.Girzalsky: "Der Werbellin", Ein Heimatbuch; Selbstverlag Neu-Vehlefanz bei Velten (Mark) 1931