Der Teufelsdamm In Seehausen am Uckersee lebte einmal ein Schäfer. Alle Tage mußte er seine Tiere weit um den großen See zur Weide treiben. Oft war ihm der lange Weg zu beschwerlich. Daher beschloß er, einen Damm aufzuschichten. Aoch immer, wenn er weiter bauen wollte, fand er seine Arbeit zerstört und alle Steine durcheinander geworfen. Darüber wurde er so ärgerlich, daß er laut schimpfte und fluchte. Eines Abends, als er seine Schafe heimwärts trieb und der Weg um den See wieder kein Ende nehmen wollte, gesellte sich ein Mann zu ihm, der ihn nach der Ursache seines Unmuts fragte. Der Schäfer klagte, er habe einen gar zu weiten Weg nach der Weide, da er die Herde um den See treiben müsse, und die Schafe würden ihm unterwegs wieder hungrig. Auch erzählte er, daß all sein Mühen, einen Damm zu errichten, vergeblich gewesen seien. "Oho, ist es sonst nichts, was dich bedrückt, so kann ich dir helfen!" sagte der Fremde darauf. "Verschreib mir deine Seele, dann bau ich dir in einer Nacht einen Damm durch den See." Nun wußte der Schäfer, daß sein Begleiter der Teufel war, aber selbst der konnte unmöglich in einer einzigen Nacht den Damm errichten. Also willigte der Schäfer ein unter der Bedingung, der Damm müsse vor dem ersten Hahnenschrei fertig sein. Der Teufel versprach das, und der Schäfer unterschrieb den aufgesetzten Pakt, wobei er die Feder mit einem Tropfen seines Blutes anfeuchten mußte. Der Fremde steckte den Zettel ein und ging davon. Alsbald erhob sich in den Lüften ein furchtbarer Tumult, als sause ein starker Wirbelsturm hernieder. DemSchäfer erstarrte fast das Blut in den Adern, als er sah, wie der Teufel mit riesigen Felsblöcken und mächtigen Baumstämmen angebraust kam und sie in den See stürzte. Zusehends wuchs der Damm aus dem Wasser. Atemlos und halb von Sinnen langte er zu Hause an und berichtete seiner Frau, was sich ereignet hatte. "Aber Mann", schrie sie, "weißt du nicht, was nun geschieht? Morgen früh dreht dir der Satan den Hals um und fährt mit dir zur Hölle!" Der Schäfer fühlte bereits die Krallen des Teufels im Nacken. Er zitterte am ganzen Leibe und konte in seiner heillosen Angst kein Wort mehr hervorbringen. Seine Frau indessen behielt ihren klaren Verstand und zog mit ihm hinaus an den See, damit sie verfolgen konnte, ob es dem Teufel möglich wäre, den Kontrakt zu erfüllen. Dort war der Tumult noch fürchterlicher geworden. Ganze Arme voll Baumstämme schleppte der Teufel durch die Luft herbei, bergeweise schüttete er Erde in die Fluten. Als die Mitternachtsglocke ertönte, war der Dammzu drei Vierteln fertig. Der Schäfer gab sich verloren. Seine Frau aber fing an, mit heller Stimme den Hahnenschrei nachzuahmen. Der Teufel durchschaute die List und verdoppelte seine Anstrengungen. Nur noch eine Kurze Strecke, und er hatte das jenseitige Ufer erreicht - da antwortete auf das Schreien der Frau plötzlich aus einem nahen Hühnerstall einschrilles "Kikeriki". Ein fürchterlicher Donnerschlag, dann war es still. Der Teufel war abgefahren, die wackere Schäfersfrau hatte ihn getäuscht: Durch ihr Krähen aufgeweckt, hatte ein Hahn seinen ersten Morgenschrei lange vor Sonnensufgang erschallen lassen. Der Schäfer kam mit dem Schrecken davon, doch mußte er weiterhin seine Schafe um den See treiben, denn erst viele Jahre später wurde der Damm von Menschenhand vollendet. Quelle:"Der Schatz von Chorin"; Sagen und Märchen aus der Mark Brandenburg ausgewählt und bearbeitet von Albert Burkhardt, erschienen im Stapp-Verlag,Berlin, 1991 |