Die Geschichte von Quarzimo

Ich heiße Quarzimo und bin ein Quarzkorn.

Seit meiner Geburt bin ich weit gereist und habe viel gesehen. Brüder und Schwestern von mir begegnet ihr in vielen Gesteinen und vor allem in Sanden. Die großen, schön gewachsenen und klaren Kristalle von uns werden zu Schmuck und Dekorationsgegenständen verarbeitet. Begehrt sind aber auch die vielen farbigen Varianten, wie der Rosenquarz, der Blauquarz, der Achat oder der Amethyst. Aber auch in der Industrie finden wir Verwendung. Man benutzt uns als Schleif- und Poliermittel, macht aus uns Linsen und baut uns in Uhren ein. Ich war für keinen dieser Zwecke geeignet. Aber nur deshalb kann ich euch heute hier von meinen Abenteuern berichten.

 Geboren wurde ich in Skandinavien vor etwa 1,5 Milliarden Jahren ungefähr in einer Tiefe von 3 - 7 km. In einer etwa 700° C heißen Suppe, dem Magma, schwammen viele Silicium- und Sauerstoffatome herum. Mit sinkenden Temperaturen hatten die Atome immer weniger Lust, sich frei zu bewegen und schlossen sich zu Gerüsten zusammen.

Ich war geboren!

Doch da waren schon lauter Feldspäte und Biotite, sodass ich mich in die Lücken zwängen musste und nicht so wachsen konnte, wie ich gern wollte.

Zusammen mit den ganzen anderen Mineralkörnern bildete ich ein Gestein, das die Menschen “Granit” nennen.

Irgendwann, vor Millionen von Jahren, begann sich unser ganzer,großer Komplex als Gebirge herauszuheben. Der ständige Wechsel zwischen Frost und Sonnenhitze ließ immer mehr Gestein von der Oberfläche des Gebirges abplatzen, sodass auch wir uns schließlich an der Erdoberfläche befanden und Jahrhunderte lang Eis, Sonne, Wind und Regen zu spüren bekamen. Damals waren wir noch Teil eines großen, rötlichen Granitfelsens. Aber bald war

er von vielen kleinen Rissen und Spalten durchzogen, die immer größer und tiefer wurden. In einer sehr kalten Nacht gefror das Wasser, welches sich in den Spalten sammelte abermals zu Eis und dieses Mal sprengte es uns vom Gebirge ab. Mit lautem Getöse schlugen wir am Fuß des Berges auf und blieben dort liegen.


 

Aber dann fingen die Abenteuer erst richtig an!

Es wurde kalt sehr kalt und das Eis kam. Nicht nur in kleinen Spalten im Gestein, sondern als

mächtige Gletscher, die sich zäh und langsam, aber unaufhaltsam nach Süden bewegten. Einer dieser Gletscher nahm uns in seinem dunklen Bauch mit auf die erste von mehreren solcher Etappen unserer Reise. Aber es war keine schöne Reise. Wir waren vollkommen umgeben von Eis und während es sich langsam vorwärts schob, rieb es an der Oberfläche des Granits. Meine Freunde, die Quarze, Feldspäte und Biotite an den Ecken und Kanten konnten sich nicht lange festhalten und brachen ab. So wurde unser Gesteinsblock abgeschliffen, immer runder und auch ein stückweit kleiner. Nur gut, dass wir nicht an der Sohle des Gletschers lagen, sonst hätten uns womöglich noch spitze, harte Unebenheiten des Untergrundes Schrammen in den Bauch unseres Granits geritzt.


 

Dann wurde es hell und wärmer. Das Eis taute ab und wir blieben in einem Flussbett liegen. Der Laie sagt jetzt Findling zu uns, der Wissenschaftler Geschiebe. Sonne und Wasser fielen weitere meiner Freunde zum Opfer. Und dann kam der nächste Gletscher und brachte uns auf unserer letzten, dunklen, kalten Reiseetappe bis in die Uckermark.

Nachdem das Eis wieder geschmolzen war, konnte ich mich endlich wieder umsehen. Es gab keine Pflanzen und es war immer noch sehr kalt. Ein stetiger Wind bließ und wirbelte kleine Quarzkörner durch die Luft, die er zu großen Sanddünen aufhäufte. Ich wäre auch gern

geflogen, aber zusammen mit meinen Freunden war ich dem Wind einfach zu schwer. Statt dessen trommelten die Quarzkörnchen auf unsere Oberfläche und schliffen und polierten unseren Gesteinsblock. Das fühlte sich an wie ganz viele kleine Nadelstiche.

Schließlich wurde es vor etwa 10.000 Jahren wärmer und die Pflanzen wuchsen. Mit ihren

Wurzeln hielten sie die Sandkörner fest und beendeten das Herumfliegen.

Heute sind wir das hier - ein ziemlich stark angegriffener Granit.

Vor etwa 1,5 Millionen Jahren geboren und mehrere Tausend Kilometer gereist, bin ich und meine Freunde jetzt müde. Bisher konnten wir den Strapazen von Eis, Wasser, Wind und Sonne trotzen, aber lange werden wir uns nicht mehr aneinander festhalten können. Die ersten von uns sind bereits bei unserer Reise mit dem Gletscher verloren gegangen, andere wurden zerrieben, aufgelöst oder während des Quarzkörnerbombardements regelrecht herausgesprengt. Das feine, weiße Pulver von ehemaligen Quarzkörnern lässt mich äußerlich heller erscheinen. Die löchrige Oberfläche des Granits zeug von dem fortgeschrittenen Zerfall. Wenn es nach mir ginge, können wir jetzt einfach hier liegen bleiben, uns ausruhen und zuschauen, wie Flechten und Moose auf der Oberfläche des Gesteinsblocks wachsen.

nnerhalb weiterer 1000 Jahre werden wir uns nicht mehr festhalten können und schließlich zu einzelnen Mineralkörnern zerfallen. Von mir und meinen Freunden und unserem Granit ist dann nichts weiter übrig, als ein Häufchen Sand.

Für unseren Granit ist das das Ende, aber für mich – Quarzimo geht die Reise weiter …

Ich würde am Liebsten mit vielen anderen Quarzkörnern wieder auf die Reise gehen. Vielleicht nimmt mich eines Tages Wind oder Wasser mit zu neuen Abenteuern. Wenn ich dann mit anderen Körnern zusammenkrache, werde ich immer runder und kleiner. Irgendwo, wo es mir gefällt, bleibe ich dann liegen und werde von vielen anderen Körnern zugedeckt. Dann werden wir zusammengedrückt und aus dem Wasser, das durch unsere Zwischenräume sickert, bilden mitgeführte Stoffe eine Art Zement, der und zu einem Sandstein verbackt. Ein roter Sandstein wäre ich dann gern, mit braunen Streifen von der Schichtung aus dem Sand. Ich habe mich durch meine Freunde, die Feldspäte im Granit, schon so an diese Farbe gewöhnt. Wir Quarzkörner brauchen nur ein klein wenig feinverteiltes Eisen, um ein roter Sandstein zu werden.

Meine Reise ist also längst noch nicht vorbei und niemand kann vorhersagen, wann und wo und wie sie endet.

Vielleicht gelange ich mit meinem Sandstein wieder an die Erdoberfläche, wir zerfallen erneut und werden immer weiter transportiert, bis nur noch Staub von uns übrig ist.

Vielleicht sinkt mein Sandstein aber auch tiefer in die Erdkruste und bildet sich unter hohem Druck und hohen Temperaturen zu einem Gneis um. Dabei werden Minerale wie Feldspat und Biotit neu gebildet. Dann wäre ich wieder mit meinen Freunden zusammen, auch wenn sich die Biotite dann lieber in feinen, dunklen Lagen zusammenschließen, als gleichmäßig im Gestein verteilt zu sein. Von mir aus können die Feldspäte ruhig so groß werden, dass sie große, fast runde Augen bilden, um die sich die Biotite herumschlängeln müssen. Als Augengneis wird unser Gestein dann von den Menschen bezeichnet.

Und vielleicht wird es in diesem Gneis irgendwann so heiß, dass wir schließlich alle aufschmelzen und wieder neu geboren werden.

 von Reikja Priemuth