Das Zisterzienser-Nonnenkloster Boitzenburg
[Monasterium Sanctimonialium in Boicenborch ordinis Cisterciensis]


Die Lage

Das Schloss Boitzenburg 2006 / W. Ebert

Zwischen den Städten Prenzlau und Templin (Templyn) liegt das uckermärkische Boitzenburg. Es ist durch sein Schloß und die imposanten Ruinen des einstigen Zisterziensernonnenklosters (Comentus sancta Marie in Boycenborg) geprägt, die sich in einer Talsenke entfernt befinden. Die wald- und wasserreiche Region - in der Brandenburg, Mecklenburg und Pommern aufeinandertreffen - ist uraltes Siedlungsland mit reicher Vergangenheit.

Mittelalterliche Kaufleute und fahrende Scholare, die von Fürstenberg an der Havel (Vorstenberge) über Lychen nach Prenzlau - in den historischen Mittelpunkt der Uckermark reisen wollten - kamen am 'Städtchen' (oppidum) Boitzenburg vorbei.

Boitzenburg - ehem. Beamtenhäusser
Foto: W. Ebert

Vermutlich wählte auch der Abt des Zisterzienserklosters Himmelpfort (coeliporta) - das Markgraf Albrecht III. von Brandenburg († 1300) im Jahre 1299 als Haus- und Grablegekloster gegründet hatte - bei seinen Reisen nach Prenzlau den Weg über Lychen, so dass er das Nonnenkloster in Boitzenburg passieren musste.

Die günstige Lage sowie der Handels- und Durchgangsverkehr förderten Boitzenburgs Position als uckermärkischen Marktflecken. Besucher spüren heute davon nur wenig. Abgeschieden vom großen Verkehr liegt das Dorf als beschauliche Idylle in einer intakten Landschaft.


Die Geschichte des Klosters

Eine Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1271 nennt als Stifter des Nonnenklosters Boitzenburg die Brandenburger Markgrafen Johann II. († 1281), Otto IV. mit dem Pfeil (*~1238) und Konrad (*~1240), die drei ältesten Söhne von Markgraf Johann I. (*1213?) des Begründers des johannesischen Zweiges (1258/60) der brandenburgischen Askanier. Das Kloster ist dem Zisterzienserorden (Monasterium Boicenborch ordinis Cisterciensis) zugehörig.
Um das Jahr 1281 vereinigte der markgräfliche Vasall Heinrich von Stegelitz das 1269 bei Flieth Vlete) und Stegelitz gegründete Benediktinerinnenkloster Marienpforte (in porta sanctae Mariae) mit Boitzenburg.
Darüber hinaus zählten zu den ersten Förderern der Boitzenburger Zisterze - neben dem Gründer von Marienpforte - auch der Ritter Dietrich von Kerkow und dessen Familie, die im Jahre 1289 mehrere Hufen Land für einen Altar in der Klosterkirche stifteten.

Ungeachtet seiner Lage in der unruhigen Grenzregion zwischen Brandenburg, Mecklenburg und Pommern, gelang es der Zisterze umfangreichen Grundbesitz zu erwerben. Dabei profitierten die Nonnen von kriegerischen Auseinandersetzungen, da deren Urheber die Schäden in den Klostergütern durch Landschenkungen kompensieren mussten. Obendrein beeinträchtigten die sich ständig verändernden Herrschaftsverhältnisse die Entwicklung des Boitzenburger Klosters. Da zur Erstausstattung der Zisterzienserklöster in der Regel unkultiviertes Land gehörte, bot eine sumpfige Umgebung idealen Schutz vor Übergriffen jeglicher Art.

Zudem statteten die brandenburgischen Markgrafen das Kloster Boitzenburg (daustrum Boycenburch) mittels zahlreicher Schenkungen mit Mühlen, Dörfern, Seen und Kirchenpatronaten aus. Die Zisterzienser nutzten nicht nur Gewässer, Wälder und Wiesen, sondern sie legten auch Äcker und Weinberge an. So gab es Weinberge vis-a-vis des Boitzenburger Klosters und fließendes Wasser für einen Mühlenbetrieb. Im Jahre 1276 besaß die Zisterze schon zehn eigene Dörfer.

Kirche St. Marien auf dem Berge
Foto: W. Ebert

Die wirtschaftliche Blütezeit des Klosters dauerte bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts an. Hauptsächlich prosperierten das Städtchen und die Zisterze Boitzenburg aufgrund ihrer günstigen Lage an der Straße zwischen Fürstenberg und Prenzlau. In Folge der Auseinandersetzungen zwischen Pommern und Brandenburg um den Besitz der Uckermark im 14. Jahrhundert konnten Verluste an den Klostergütern durch Privilegien der pommerschen Herzöge ausgeglichen werden. In diesem Zusammenhang dehnte sich der Klosterbesitz nach Westen in Richtung Fürstenberg aus. Außerdem wurde das Zisterziensernonnenkloster mit dem Städtchen Boitzenburg belehnt.

Im späten Mittelalter gingen die Nonnen dazu über, zur Bewirtschaftung ihrer ausgedehnten Besitzungen, ihre Güter in Pacht zu vergeben. Bereits vor der Reformation verfügte die Zisterze neben 30 Dörfern auch über Einkünfte aus den Städten Fürstenberg, Prenzlau, Templin und Wittstock an der Dosse. Zu dieser Zeit umfasste der Klosterbesitz ein großes arrondiertes Gebiet im nördlichen Brandenburg.
Vielerorts reichte das reiche Boitzenburger Klosterland bis an den Grundbesitz der anderen Zisterzienserklöster von Himmelpfort, Seehausen (Junckfrawen closter Sehusen) und Zehdenick Monasterium sanctae crucis in Cedenic) heran. Charakteristisch für die Herrschaftssituation in der nördlichen Uckermark während des 13. Jahrhunderts war die Herausbildung von mehreren Frauenklöstem des Ordens, die sich zu einem dichten Kordon an zisterziensischem Klosterland formierten. Er bildete eine wirkungsvolle ,Pufferzone' zwischen Brandenburg und seinen nördlichen und nordwestlich gelegenen Kontrahenten. Demzufolge verwundert es nicht, dass der enge Kontakt zu den anderen Nonnen- und Mönchsklöstern wie zu Chorin (Ecclesia sanctae clarie virginis in Koryn), Himmelport, Lindow (Monasterium monialium in Lindow), Seehausen und Zehdenick urkundlich nachgewiesen ist.

Im Tiergarten / W. Ebert

Reisende, Kranke und Schwache fanden hier Gastlichkeit, Unterkunft und Pflege ebenso wie in vergleichbaren abgeschieden liegenden Landklöstern des Zisterzienserordens. Die Bedürftigen wurden von unverheirateten Töchtern des Territorialadels und später ebenso von Frauen aus dem wohlhabenden Bürgertum versorgt, die nicht nur eine Aufnahme im Boitzenburger Kloster als Nonnen, sondern auch als Gesangsmeisterinnen (sacristae), Kämmerinnen (cameriariae) und Pförtnerinnen (porteriae) gefunden hatten. Eine Priorin oder Äbtissin leitete das Konvent, an deren Spitze ein Propst für die Klosterverwaltung stand.

Die Säkularisation der Boitzenburger Zisterze wurde 1536 vollzogen. In diesem Jahr ließ Kurfürst Joachim II. Hector (*1505) - der 1535 die Herrschaft von seinem Vater Kurfürst Joachim I. Nestor (*1484) in Brandenburg übernommen hatte - durch den uckermärkischen Landvogt Hans von Arnim (*~1495) den Klosterbesitz inventarisieren. Bereits zwei Jahre später übergab er ihm das Kloster mit sämtlichen Besitzungen, Urkunden und Siegeln. Der so belehnte Landvogt kaufte 1539 vom Kurfürsten für eine Geldsumme von ,vierhalb Tausend Gulden Brandenburgischer Währung' das gesamte Eigentum des Klosters. Dazu gehörten Dörfer, bebaute und unbebaute Dorfstellen, Pachten, Renten, Zinsen, Vorwerke, Schäfereien, Viehzuchten, Nutzungen, Fischereien, Teiche, Teichstätten, Mühlen, Mühlstätten, Seen, Fließe, Gewässer, Weiden, Wiesen, Triften, Hütungen, Holzungen, Heiden, Pirschen, Wälder, Jagden für Groß- und Kleinwild, Kirchlehen sowie Einkünfte aus oberer und niederer Gerichtsbarkeit. Als einzige Bedingung mussten sich Hans von Arnim und dessen Erben verpflichten, die nach der Säkularisation im Kloster verbleibenden Nonnen bis zu deren Lebensende zu versorgen. Mit Katharina von Arensdorf starb die letzte Klosterfrau im Jahre 1572. Zu ähnlichen Bedingungen ging 1542 auch der Besitz der Zisterzienserklöster Himmelpfort und Lindow an die Familie des Landvogts über.


Die Klosterruine - Kloster und Kirche

Das Baugefüge des Zisterziensernonnenklosters Boitzenburg existiert heute nur noch als Ruine. Nach der Auflösung im Jahre 1538 nutzte die Familie von Arnim als neuer Eigentümer die Klostergebäude für Wohn- und Wirtschaftszwecke. Nur der Chor blieb für den Gottesdienst in Gebrauch. Seit dem 18. Jahrhundert setzte infolge von Brandschäden und Leerstand fortschreitender Verfall ein. Schließlich wurden große Teile und ganze Segmente abgetragen, um diese als Baumaterial für die Schlosserweiterung und für Bauarbeiten im Dorf zu verwenden.

Heute finden interessierte Besucher inmitten einer von grünen Wiesen und alten Bäumen geprägten hügeligen Landschaft - bei einem Mühlenteich mit seinem Wasserlauf - noch die Westwand und den Südgiebel des Konventshauses sowie die Nordwand mit dem halben polygonalen Chor der Kirche vor. Die Klosterkirche - die sich über Jahrhunderte als malerische Ruine erhielt - fand aufgrund ihrer ausgereiften Bautechnik und ihren formvollendeten Details außerordentliches Interesse bei Malern und Kunsthistorikern.

Südgiebel und Teile der
Westwand des Konventhauses
Foto: W. Ebert

Im Jahre 1936 erfolgten unter Federführung Heinrich Jerchels umfangreiche Grabungen auf dem Boitzenburger Klosterareal. Nach dem Baubefund zu urteilen, wurde das Kloster wohl bald nach 1300 aus Feld- und Backsteinen errichtet. Zudem konnte die markante Ähnlichkeit des Gotteshauses mit dem des Klosters Chorin bestätigt werden. In der Formgebung einfacher, doch von ähnlicher Ästhetik und Schönheit in der Bauausführung, wird die Kirche als schlichterer Schwesterbau Chorins angesehen.
Überdies brachte die Bestandsaufnahme von 1936 ein annährendes Bild von der einstigen Beschaffenheit des Klosters und außergewöhnliche Details - wie zahlreiche Formsteine mit achtblättrigem Stern - zu Tage.

Nachfolgende Rekonstruktionsversuche ergaben, dass die einschiffige Klosterkirche ein Backsteinbau war, zu der ein Chor mit hochragenden Spitzbogenfenstern gehörte. Das unmittelbar anschließende Langhaus unterteilte sich in zwei Gaden (Stockwerke). Im oberen Stockwerk gab es eine Nonnenempore, der Raum unter der Empore blieb den Laienbrüdern (conversus) vorbehalten. An der Mitte der Westseite des Langhauses war die Eingangstür für die Konversen. Im Norden des Chores - unterhalb der Fenster - lagen im Inneren die Nischen für Kredenz (Anrichte), Altar und Taufstein. Die oberen Spitzbogenfenster des Langhauses hatten beiderseits schlichte Gewändeschrägen, unter denen sich kleine Wandschränkchen für die Gebetsbücher der Nonnen befanden.

Nordwand der
Klosterkirche / Ch. Klam

Die Kirche und das Klostergebäude dürften mit einem zweistöckigen Übergang verbunden gewesen sein, in dessen oberem Teil ein Gang die Verbindung zwischen der Nonnenempore mit dem Schlafsaal (dormitorium) schaffte. Das im Obergeschoss des Westflügels gelegene dormitorium besaß an seinen Längsseiten viele schmale Fenster. Unterhalb des Schlafsaales erstreckte sich der mit breiten Strebpfeilern versehene Kreuzgang. Anhand von Grabungen konnte der Verlauf des Kreuzganges eruiert werden. Er zog sich an der Südwand der Kirche entlang. Vermutlich existierten an der Süd- und Ostseite des viereckigen Kreuzganges weitere Konventsgebäude.

Detail der Ruine der
Klosterkirche / Ch. Klam

Im Erdgeschoss des westlich des Kreuzganges stehenden Gebäudes lag der Speisesaal des Klosters (refectorium) mit seinen hellen Spitzbogenfenstern, die nach der sonnigen Südseite hin orientiert waren. Die Gewölbe des refectoriums bildeten zwei Schiffe, die an den Wänden auf nasenförmig ausgeführten Schildbögen ruhten. Die Erwärmung des Raumes erfolgte in der kalten Jahreszeit mittels einer unterirdischen Heizkammer - deren Gewölbe zwar verschüttet wurde - die aber anhand des dazugehörigen erhaltenen Schornsteins nachgewiesen ist. Im nördlichen Teil der Klosterruine weist das Portal eine von einer Spitzbogenblende umrahmte Stichbogentür mit reich profilierten Rund- und Bündelstäben auf. Offenbar befand sich hier der Zugang zur Klausur, der in eine Vorhalle mit Pförtnerstube führte, die wiederum ostwärts mit dem Kreuzgang in Verbindung stand. Es liegt nahe, daneben das cellarium (Keller; Vorratsraum) des Klosters zu vermuten.


Klostermühle und Mühlenmuseum

Die Boitzenburger Klostermühle
Foto: W. Ebert

Häufig gehörte eine Mühle (molendinum) zu den unerlässlichen Wirtschaftseinrichtungen eines Zisterzienserklosters. Die erste Erwähnung eines klostereigenen Mühlbetriebes bei Boitzenburg stammt aus dem Jahre 1271. Mehrfach wurde die Klostermühle im Laufe des 17. Jahrhunderts zerstört (1631) oder brannte nieder (1655), bevor die Herren von Arnim den heutigen Bau (1671) errichteten.

Sagen und Legenden ranken sich um die geheimnisvolle Klosterruine und deren benachbarte Mühle. Sie berichten von verborgenen Schätzen in Gängen und Weinkellern, die von Klostermännchen und Mühlenkobolden gehütet werden. Weitaus prosaischer, hingegen nicht weniger faszinierend ist die umliegende Landschaft und die Geschichte der Nutzung der Wasserkraft, die in dem heute eingerichteten Mühlenmuseum gezeigt wird.

An einem Rast- und Aussichtspunkt Fübrigerhof, nahe Fürstenwerder, befindet sich diese aus einem Granitfindling hereusgeabeitete frauenskulptur Foto: C. Bresk

An einem Rast- und Aussichtspunkt Fübrigerhof, nahe Fürstenwerder
, befindet sich diese aus einem Granitfindling hereusgeabeitete
Frauenskulptur"Schlafende Schöne" von Bettina Mundy. Foto: C. Bresk


Quellen und Literatur:

 

© Märkische Eiszeitstraße, Ch. Klam, Historiker, Berlin, 2007