Baudenkmal Bundesschule des ADGB Bernau

Derunter Leitung des damaligen Bauhausdirektors Hannes Meyer gemeinsammit Hans Wittwer von 1923 bis 1930 errichtete Gebäudekomplex der ehemaligenBundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) stelltein bau- und kulturhistorisches Denkmal besonderer Art dar. Die Schulanlageist ein einzigartiges Zeugnis verwirklichter sozialpädagogischer Intensionendes Bauhauses am Ende der 20er Jahre.

Bundesschule
Bundesschule des ADGB Originalbau
Meyer/Wittwer(Bildarchiv des Vereins
"baudenkmal bundesschule
Bernau e. V.")

In eine freigelegte Waldsiedlung nördlich von Bernau eingepasst, folgtdas Z-förmig gestaltete Ensemble einer sanften Bodenneigung in unmittelbarerNähe eines kleinen Weihers. Es ist, als ob Bauwerk und Natur eine Symbioseeingehen wollten. Zugleich fällt der in sich geschlossene Charakterdes Ensembles auf, obwohl es in seinen Teilen streng funktional gegliedertist.Dem Eingangskomplex - zugleich als Sozialtrakt errichtet (mit Küche,Mensa-, Klub- und Erholungsräumen und einer Aula) - schließen sich, der Topographie des Geländes folgend,die Internatsgebäude an. Die Anlage wird durch den Schulkomplex (mitHörsälen, Seminarräumen, einer Bibliothek mit Lesesaal sowie einer Sporthalle)abgeschlossen. Alle Funktionsbereiche sind über einen durchgehendenGlasgang erreichbar. Er ist "Funktionsachse, Orientierungsmittel undDiorama zum Naturerlebnis aus dem Innenraum" (K-J. Winkler).

Entsprechenddem industriellen Bauen bekennt sich die Architektur auch optisch zumeingesetzten Baumaterial - gelbe Ziegel, Stahl, Beton und Glas betonendie puritanische Funktionalität des Ensembles, die jede Repräsentationvermeidet. Aber gerade das gibt der in Blöcken aufgelöste Anlage ihreneigenartigen ästhetischen Reiz.
Glasscheint auf den ersten Blick das wichtigste architektonische Merkmal desBaus zu sein. Alle Gemeinschaftsräume sind mittels großer Glasflächenzum Außenraum "geöffnet". Lichtfülle kommt von den Seiten und durch dieDecken. Lichtreflektoren werden durch die Architektur verstärkt, so beispielsweisedurch die rhombenförmigen Querschnitte der Decke in den Hörsälen des Schultraktes.Insgesamt wird das Naturlicht durch den Bau bewusst für ein "Besonnungsoptimum"genutzt.
Getreu der Maxime von Hannes Meyer: "Bauen ist Gestaltung von Lebensvorgängen!"ist die Schulanlage keine "Aufbewahrungsstätte" für Kurzaufenthalte derKursanten.; sie ist vielmehr ein komplexer Erlebnisbereich. Die strengeGliederung und Ordnung des Ensembles und sein Einpassen in die Stilleder märkischen Landschaft sind sowohl der Konzentration des Lernendenförderlich als auch erholsamen Stunden in der Natur. Modernes Wohnen währenddes Kursaufenthaltes verbindet sich mit Anreizen zur Aufnahme sozialerBeziehungen in der Gemeinschaft, mit vielfältigen Möglichkeiten zum Sporttreiben- als Leistungsstimulans als auch zu Spiel und Geselligkeit. Dafür sorgtletztlich die Turnhalle im Schultrakt, sie sich zum Freiraum hin öffnenlässt und zu verschiedenen Sportanlagen im Freien führt.
Nach 1945 wurde aus Kapazitätsgründen mit Erweiterungsbauten manches verformt.Dennoch ist nach über siebzig Jahren glücklicherweise eine Substanz erhaltengeblieben, die die Intensionen seiner Schöpfer noch deutlich erkennenlassen.

Umbau Baudenkmal Bundesschule
Foto: M. Klebert

Seit 2001 ist die Handwerkskammer Berlin neuer Eigentümer und Bauherreiner denkmalsgerechten Sanierung des Objektes. Sie schließt auch denteilweisen Rückbau der Schule in ihren ursprünglichen Zustand ein, sobeispielsweise den Eingangsbereich. Geplant ist, den Umbau 20005 abzuschließen.
Die Geschichtedes Baudenkmals hat extrem unterschiedliche Phasen.
Unmittelbar nach der Eröffnung der Bundesschule des ADGB am 4. Mai 1930begann der Unterricht. Die Lehrgänge, von unterschiedlicher Dauer, warenin erster Linie auf die unmittelbaren Bedürfnisse täglicher Gewerkschaftsarbeitausgerichtet. Im Mittelpunkt der Ausbildung standen volks- und betriebswirtschaftlicheFragen, Probleme der Sozialpolitik (vor allem des Tarif- und Schlichtungswesens),der Sozialversicherung und des Arbeitsschutzes, Fragen des Arbeitsrechtesund der Gewerkschaftsgeschichte. Der Unterricht wurde durch Freizeitangebote,Sport, Spiele, Musik- und Literaturabende, Filmvorführungen und Exkursionenergänzt. Etwa 3500 Gewerkschafter, darunter auch Kollegen aus dem Ausland,absolvierten von Mai 1930 bis Mai 1933 die Lehrgänge und Informationsveranstaltungender Bundesschule.
Die Nazis setzten der Gewerkschaftsarbeit am 2. Mai 1933 ein jähes Ende.Früh um 10.00 Uhr besetzte die SA die Schule und konfiszierte das Bar-und Bankguthaben, entließ die Lehrkräfte und befahl den Kursanten, bis15.00 Uhr das Gebäude zu verlassen.
Die Schule wurde in eine Reichsführerschule der NSDAP umfunktioniertund am 16. Juni durch Hitler persönlich eingeweiht. 1936 übernahm dasReichssicherheitshauptamt die Schule und bildete hier Führungskräfteder SS und der Gestapo aus. Im August 1939 wurde die Schule mit demUnternehmen "Tannenberg" direkt in die Vorbereitung des 2. Weltkriegeseinbezogen. Speziell ausgesuchte SS-Leute erhielten hier ihre Instruktionen,um an Provokationen an der polnischen Grenze teilzunehmen, die den Nazisals Auslöser für den Krieg dienten. Während des Krieges war auf demGelände der Schule auch jene Abteilung des Reichssicherheitshauptamtesstationiert, welche die Pläne für die Vertreibung und Vernichtung derBevölkerung aus den eroberten "Ostgebieten" und deren Wiederbesiedlungdurch sog. "Volksdeutsche" ausarbeiteten.
Nach der Vertreibung der braunen Machthaber war das Objekt kurzzeitig(1945/46) Militärunterkunft der Roten Armee. 1946 erhielt der FreieDeutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) die Einrichtung als Schulungsobjektvon der SMAD, und am 2. Mai 1947 begann hier wieder der Unterricht fürGewerkschafter. Die Schule, die zunächst den Namen des letzten ADGB-VorsitzendenTheodor Leipart erhielt, bekam bald Kapazitätsprobleme. Neu- und Anbautenwurden notwendig. Der Bundesvorstand des FDGB beauftragte mit dieserAufgabe den Architekten Georg Waterstradt. Er projektierte und baute1950 zum Meyer/Wittwer-Bau einen Schul-, Internats- und Verwaltungskomplex,der die Anlage wesentlich erweiterte. Während Waterstradt noch weitgehenddem Konzept des Bauhauses folgte, gaben spätere Architekten dem Druckder DDR-Führung gegen das Bauhaus nach. Sie versahen die Anlage mitAn- und Umbauten, die ihr viel von ihrer Ursprünglichkeit nahmen.
1952 erhielt die Einrichtung den Status einer Hochschule. Das Studiumwurde etappenweise auf ein dreijähriges Direkt- bzw. vierjähriges Fernstudiumausgedehnt und endete mit dem Erwerb eines Diploms. Neben deutschenerhielten auch Gewerkschafter aus den Ländern des Nahen Ostens, Afrikas,Asiens und Lateinamerikas eine spezielle Ausbildung für die Gewerkschaftsarbeitin ihren Heimatländern.
Insgesamt absolvierten bis zur Auflösung des FDGB und der Gewerkschaftshochschuleim Herbst 1990 rund 15 000 Gewerkschafter des In- und Auslandes dieseEinrichtung.
Nach dem Herbst 1989 gab es unterschiedliche Konzepte für das Objekt.Zwischen 1992 und 1998 nutzte das Land Brandenburg die Anlage als Fachhochschulefür öffentliche Verwaltung. Danach stand sie leer und verfiel zusehends.Erst 2001 fand sich ein neuer Eigentümer - die Handwerkskammer Berlin.Sie möchte das Objekt nach dem Umbau als Internat für seine Bildungsstättenutzen.

Dr. Wolfgang Heyn
Verein baudenkmal bundesschule e. V.

Fritz-Heckert Str. 43, 16321 Bernau
Tel./Fax: 03338/767875
e-mail:bundesschule.bernau@gmx.de
Homepage:www.baudenkmal-bundesschule-bernau.de

© Märkische Eiszeitstraße, 2003