Wer baute die Großsteingräber -
der Teufel oder die Riesen?

Während Kantzow offenbar von menschlichen Maßstäben ausging, gehörten die "Gigantes" selbst noch im Zeitalter der Aufklärung im 17./18. Jahrhundert zum realen Geschichtsbild der Gelehrten. Der Kölner Jesuit Athanasius Kircher begründete 1655 "naturwissenschaftlich". ein System von Größenklassen der ehemals in Europa beheimateten Giganten. Er hielt nämlich die fossilen Knochen eiszeitlicher und tertiärer Großsäugetiere für Knochen der Riesen und errechnete daraus ihre unterschiedlichen Größen. Dabei kamen dann im Vergleich zum Menschen Riesengestalten in der Höhe von Kirchtürmen heraus.

Aufklärung

An der Brandenburgischen Landesuniversität Viadrina zu Frankfurt an der Oder wirkte seit 1667 der Universalgelehrte Johann Christoph Beckmann. Er begründete die moderne Landes-geschichtsschreibung im Fürstentum Anhalt und in der Mark Brandenburg. Beckmann führte selbst Ausgrabungen durch und kannte aus eigener Anschauung zahlreiche Großsteingräber in Deutschland und den Niederlanden. Er hatte sogar die berühmte Megalithanlage Stonehenge in England besucht. Beckmann traute normalen Menschen sowohl die Kraft als auch die Intelligenz zu, die großen Steinblöcke über längere Strecken zu transportieren und die Steine "50, 60 bis 100 Zentnern ... durch Walzen und andere Maschinen an ihre Stellen zu bringen , die größesten aber über diese in die Höhe zu heben". Ein Zeitgenosse Beckmanns, der holsteinische Pastor Albrecht Andreas Rhode, begnügte sich einfach damit, daß er "... nicht die Alte Welt so gefährlich machen will, daß sie von lauter unmäßlich großen Kerlen bewohnet sei".

Megalithforschung in Mecklenburg, Vorpommern und Brandenburg

Die Erforschung der Großsteingräber nach den Maßstäben der modernen Archäologie begann im Umfeld der Märkischen Eiszeitstraße im späten 19. und im 20. Jahrhundert. Viele Anlagen waren jedoch bereits zerstört oder ausgeraubt. Als Ergebnis umfangreicher Grabungs- und Sammeltätigkeit des Uckermärkischen Museums- und Geschichtsvereins zu Prenzlau veröffentlichte der Löcknitzer Arzt Hugo Schumann 1904 das bis heute als Standardwert geschätzte Buch "Die Steinzeitgräber der Uckermark".1929 und 1930 untersuchte der Berliner Archäologe Albert Kiekebusch das Gräberfeld von Wollschow. 1940 bis 1944 grub der Stettiner Archäologe Hans-Jürgen Eggers das "multikulturelle" Gräberfeld von Wartin aus, das Gräber vom Neolithikum bis zur Vorrömischen Eisenzeit erbrachte. 1967 brachte der Kieler Archäologe Ernst Sprockhoff mit dem "Atlas der Megalithgräber Deutschlands. Teil 2 Mecklenburg, Pommern, Brandenburg" ein wichtiges Grundlagenwerk heraus. Unter der Leitung des Schweriner Archäologen Ewald Schuldt wurden in den Jahren 1964 bis 1973 in den damaligen Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg 145 Großsteingräber ausgegraben. Die zahlreichen Veröffentlichungen aus diesem Forschungsprogramm sind wesentliche Grundlagen der Steinzeitforschung im Ostseeraum.

© Märkische Eiszeitstraße, R. Schulz, G. Lutze, 2003